Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall
Elternhaus in der Beethovenstraße absetzte, erwartete ihn bereits sein Vater, der ihm aus dem sperrangelweit geöffneten Küchenfenster der Parterrewohnung laut entgegenrief: »Aha, der Herr Kriminalhauptkommissar hat mal wieder von weitem gerochen, dass seine Mutter was Gutes gekocht hat.«
»Vater, du weißt doch ganz genau, dass ich nicht möchte, dass du den Hauptkommissar so raushängen lässt – und dann auch noch so, dass es die ganze Beethovenstraße hört«, schimpfte der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission, nachdem er die Küche der elterlichen Wohnung betreten hatte, obwohl er mit ziemlicher Sicherheit wusste, dass sein störrischer Erzeuger auch in Zukunft nicht bereit sein würde, sein Verhalten ihm gegenüber entscheidend zu verändern.
»Ach Gott, bist du empfindlich. Du kannst doch auf deine Karriere bei der Polizei wirklich stolz sein.«
»Ich schon, aber du wohl weniger! Und deshalb sollst du damit nicht so angeben. Es muss nicht immer die ganze Straße hören, wenn ich nach Hause komme«, gab Tannenberg scharf zurück.
»Wolfi, hör jetzt endlich auf – und du auch Jacob! Ihr wisst genau, dass mir sonst das Essen nicht schmeckt«, warf Mutter Tannenberg energisch ein, während sie eine große Auflaufform mit dampfenden Käsespätzle auf den hellblauen Aluminiumuntersetzer stellte. »Jacob, bring mal den Salat rüber!«
»Das kann dein Sohn machen, der kann und weiß ja sowieso immer alles besser. Den alten Vater so zurechtzuweisen. Hast du denn überhaupt keinen Respekt mehr vor mir?«
»Ach Gott, Vater, sei doch nicht gleich eingeschnappt. Tut mir leid, ich will dich wirklich nicht ärgern. Aber ich hab im Moment einfach viel um die Ohren.«
»Ja, ja, die Leiche am Pfaffenbrunnen«, bemerkte Vater Tannenberg in etwas versöhnlicherem Ton, wechselte aber gleich das Thema. »Margot, wann kommen denn die Kinder heute aus der Schule?«
»Die müssten eigentlich schon da sein. Wolfi, hol mal den Riesling aus dem Kühlschrank«, hatte Mutter Tannenberg gerade gesagt, als es klingelte und zeitgleich Tobias vom Bürgersteig her in die Küche rief: »Toll, der Onkel Wolfi ist auch da!«
»Sag mal, Tobi, willst du mich heute etwa auch noch auf die Palme bringen?«, fragte er seinen Neffen, der eben dabei war, genau dort, wo er gerade stand, sich seines Schulgepäcks zu entledigen.
»Sorry! Bloß wegen dem Onkel Wolfi. Oma darf das ja auch sagen. Also, okay: Einen schönen guten Tag, lieber Onkel Wolfram. So besser?«, fragte Tobias keck, während er sich in Seelenruhe an den gedeckten Tisch begab und mit großen Augen auf den Küchendienst wartete, der ihm endlich das Mittagessen servieren sollte.
»Ruhe! Jetzt ist Schluss mit dem Gezeter! Hinsetzen!«, rief Margot Tannenberg laut. »Tobias, du räumst aber erst noch deinen Ranzen aus dem Weg!«
»Oma, kapier’s doch endlich: Ich hab dir doch schon megaoft gesagt, dass das kein Ranzen ist, sondern ein Eastpack!«
»Ist mir doch egal, wie du das Ding nennst. Du räumst den Ranzen jedenfalls sofort weg.«
»Cool, Omi, mach sie fertig, gib’s den Machos!« forderte Marieke, warf ihren Rucksack in die Ecke und wollte sich sogleich über das Mittagessen hermachen.
»Langsam, Marieke! Wir fangen erst an, wenn alle am Tisch sitzen! Und ich sitze noch nicht am Tisch!«
»Gebongt, Omi!«
»Wie kommt denn der Herr Sohn mit seinem neuen Fall zurecht?«, fragte Jacob Tannenberg in die atmosphärischen Störungen hinein. »Schließlich ist es ja sein erster Mordfall, den er als Chef zu lösen hat. Aber wie man so lesen kann, tappt ihr ja mal wieder völlig im Dunkeln!«
»Hört, hört, da spricht der Bildzeitungsleser«, entgegnete Tannenberg schnippisch.
»Ja, da steht wenigstens was drin. Anders als in der Rheinpfalz . Warum ist denn da noch nix drin?«
»Weil erst heute Nachmittag die Pressekonferenz ist.«
»Und warum weiß es dann schon die Bildzeitung ? Na?«, ließ der Senior nicht locker.
»Du weißt doch ganz genau, dass ich über dienstliche Angelegenheiten nicht reden darf. Aber so gut, wie du immer informiert bist, wirst du es mir ja sowieso gleich sagen, oder etwa nicht?«
Um seinen Sohn noch mehr auf die Folter zu spannen, ließ Vater Tannenberg einen Augenblick verstreichen. »Willst du es wirklich wissen?«
»Ich flehe Euch an, oh großer Sherlock Holmes, bitte sagt mir sofort, warum die beste deutsche Zeitung wieder einmal alles weiß!«
Jacob Tannenberg ging nicht auf die Provokationen seines Sohnes ein, sondern nahm
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