Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall
hat dann geantwortet, dass man ja irgendwo die Autos hinstellen müsse. Und, dass man auf dem Schotter sowieso keine Reifenspuren finden würde.«
»Egal. Denen mach ich jedenfalls nachher die Hölle heiß! Wieso steht da auf dem Schild nur ›Fußweg zur Weltachs – 15 Min.‹? Da gibt’s doch bestimmt auch einen Fahrweg rauf, oder?«, wollte Tannenberg wissen, als er auf eine mit eingebrannten Buchstaben und stilisierten Eichenblättern verzierte Holztafel aufmerksam wurde.
»Da hoch kommt man nur zu Fuß oder mit einer Rückmaschine, aber die sind alle im Besitz von Fremdunternehmen und irgendwo im Einsatz. Wenn der Herr Kommissar allerdings zu faul zum Laufen ist, kann ich ja mein Geländemotorrad holen und ihn schnell hochfahren.«
»Wirklich zu freundlich, aber mir steckt noch die Scooterfahrt mit meiner Nichte heute Morgen in den Knochen. Da lauf ich doch lieber«, entgegnete Tannenberg, der seinen schweißnassen Körper bereits in Bewegung gesetzt hatte.
Der zur Weltachs führende schmale Pfad begann an einer mit diversen Wandermarkierungen dekorierten mächtigen Buche und erschloss in engen Serpentinen einen Berg, der Kleiner Roßrück hieß. Der Förster klebte Tannenberg während des gemeinsamen Aufstiegs dicht an den Fersen und schwatzte ohne Unterlass wie ein studentischer Reiseführer: Über die aus Heidekraut, Farnen und Heidelbeersträuchern bestehende, typische Bodenvegetation eines Mischwaldes; über die hier ansässige seltene Eidechsenart, deren Vertreter, beim Sonnenbaden gestört, flink von den angewärmten Sandsteinen huschten; über seinen Windmühlen-Kampf gegen uneinsichtige Mountainbiker, die diesen Weg illegal nutzten; über einen abkürzenden Trampelpfad, den Wanderer widerrechtlich angelegt hätten usw., usw.
Tannenberg ließ den unaufhörlichen Redeschwall kommentarlos über sich ergehen. Ihn interessierten zur Zeit weder die Schönheiten der Natur, noch die Probleme eines Revierförsters.
Als der strapaziöse steile Pfad etwas flacher und auch ein wenig breiter wurde, entdeckte Tannenberg endlich, wonach er die ganze Zeit über gesucht hatte: Schleifspuren. Sie kamen aus einer rechtwinklig auf den Wanderweg stoßenden, schmalen, schräg abfallenden Schneise, waren aber auf dem betonharten Untergrund des festgetrampelten Fußwegs kaum mehr zu erkennen.
Tannenberg blieb so abrupt stehen, dass Förster Kreilinger von hinten auf ihn auflief. »Mann, passen Sie doch auf! Wollen Sie bei mir einklinken, oder was?«
Kreilinger erschrak derart, dass es ihm für einen kurzen Moment die Sprachfähigkeit raubte.
Der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission nutzte geistesgegenwärtig die Gelegenheit und schob sofort eine weitere Frage nach: »Wo kommt denn der Weg hier her?«
»Was? Welcher Weg?«, fragte der immer noch irritierte Förster.
Tannenberg ging ein paar Schritte in den Waldweg hinein. »Der hier.«
»Ach so. Der kommt auch vom Parkplatz«, verstand Kreilinger endlich. »Das ist der alte Weg. Der ist viel kürzer. Der wird aber schon lange nicht mehr benutzt. Die Leute haben sich immer darüber beschwert, dass der Wanderpfad zu steil ist. Und dann haben die Schüler der Trippstadter Forstschule einen neuen Weg hinauf zur Weltachs angelegt. Den, den wir gerade hochgekommen sind. Das …«
»Gut«, unterbrach Tannenberg. »Und was bedeutet das für uns, Michael?«
»Dass der Täter sehr wahrscheinlich Ortskenntnis besitzt«, antwortete Kommissar Schauß wie aus der Pistole geschossen.
»Wahrscheinlich … Es könnte aber natürlich auch Zufall sein. Da vorne ist es ja!«, rief Tannenberg erleichtert aus.
»Nein, das sind zwar die gleichen rotweißen Bänder, wie ihr sie auch benutzt, aber die sind trotzdem nicht von euch, sondern von uns«, behauptete Kreilinger.
»Wieso, habt ihr auch ’ne Leiche hier oben?«, versuchte Schauß einen Kalauer zu landen.
Auch ohne Tannenbergs demonstratives Augenrollen hatte er selbst gemerkt, dass diese vermeintlich humoristische Einlage ziemlich deplatziert war.
»Wofür ist denn die Absperrung?«, ergänzte er schnell und versuchte dadurch von seiner makabren Bemerkung abzulenken.
»Das ist nicht eine Absperrung, es sind drei Absperrungen«, belehrte der Förster. »Damit mir kein Wanderer in die Aushube für die Stützpfeiler fällt. Da soll mal ein großer Aussichtsturm gebaut werden. Aber wie immer beim Staat: Kein Geld da!«
Nachdem Tannenberg die tiefen Erdlöcher mit den breiten rotweißen Bändern, auf denen nicht
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