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Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Titel: Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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rechten Arm ans Kinn geführt! Also genau das Gegenteil dessen, was ich bislang gedacht habe. Alles eine Frage der Perspektive, stellte Tannenberg belustigt fest.
    Perspektivenwechsel! Man muss sich immer mal wieder zu einem radikalen Perspektivenwechsel zwingen! Nur so kann man der Gefahr entgehen, sich bei der Ermittlungsarbeit immer im Kreis zu drehen! Das war eine der zentralen Einsichten, die Weilacher in den langen Jahren seiner kriminalistischen Berufsausübung erworben hatte und die er seinen Mitarbeitern immer und immer wieder einhämmerte.
    »Los, Wolf, komm!«, schrie plötzlich Michael Schauß aus dem Eingangsbereich des Cafés.
    Tannenberg war so verblüfft, dass er zunächst für einen Augenblick regungslos auf der Ledercouch verharrte. Dann aber sprang er wie von einer Tarantel gestochen auf, stopfte die immer noch vor ihm liegende Gedichtkopie brutal in die linke Gesäßtasche seiner Sommerhose und begab sich eiligen Schrittes zu seinem wartenden Mitarbeiter.
    »Was ist denn los?«
    »Wolf, komm, ich sag dir’s draußen«, entgegnete Schauß und drängte seinen Chef ins Freie.
    »Sie haben noch nicht bezahlt!«, rief plötzlich die unfreundliche Bedienung, die gerade widerwillig einen Sonnenschirm aufspannte.
    »Stimmt … Entschuldigung!«, stammelte Tannenberg und zückte einen 5-Euro-Schein. In der Eile verzichtete er auf die Herausgabe des Restgeldes, was die junge Dame entgegen sonstiger Gewohnheit sogar dazu nötigte, Tannenberg einen wunderschönen Tag zu wünschen.
    »Michael, sag doch jetzt endlich, warum du so’n Theater veranstaltest!«
    »Das ist kein Theater, das ist leider Realität: Wolf, es gibt eine weitere Tote.«

6
    Als die beiden Kriminalbeamten das weitläufige, staubige Parkplatzgelände in der Nähe des aus mehreren Sandsteinfelsen bestehenden Naturdenkmals ›Weltachs‹ erreichten, waren sie sehr verwundert darüber, dass sie außer vier Motorradfahrern, die ihre abgestellten Maschinen wie Reliquien eines Technikmuseums bestaunten, keine Menschenseele dort antrafen.
    »Du, ich hab immer gedacht, dass man von hier aus zur Weltachs hochgeht. Aber, wenn dem so wäre, müssten wir jetzt wohl auf unsere Kollegen treffen, oder?«, fragte Tannenberg nachdenklich.
    »Klar, die müssten schon lange hier sein. Schließlich musste ich dich ja erst noch suchen«, meinte Schauß vorwurfsvoll. »Wieso warst du eigentlich nicht zu Hause zum Essen?«
    »Das ist eine lange Geschichte, eine viel zu lange. Außerdem im Augenblick völlig uninteressant. Wo sind denn nun die Jungs?«
    Während Schauß mit Hilfe des Autotelefons versuchte, Kontakt zu seinen vermissten Kollegen aufzunehmen, legte Tannenberg spontan eine Gedenkminute für die vielen im Laufe der Jahre auf der B 48 tödlich verunglückten Motorradfahrer ein, die hier an dem als ›Stall‹ bezeichneten Waldparkplatz vorbeigekommen waren, um dann auf der extrem kurvigen Rennstrecke zu ihrem Mekka in Johanniskreuz ihr jugendliches Leben an irgendeine Leitplanke zu hängen.
    »Weißt du eigentlich, warum der Stall ›Stall‹ heißt?«, fragte Tannenberg in den silbernen Mercedes hinein.
    »Nein, keine Ahnung. In Heimatkunde war ich noch nie sehr gut.«
    »Weil es hier oben früher eine Postkutschenstation gab, an der man die Pferde tränken und wechseln konnte. – Das weiß ich auch nur deshalb, weil mein Vater Heiner und mich hier immer zum Heidelbeerpflücken hergeschleppt hat.«
    »Ja, das hätte mir ja auch mal einer sagen können!«, beschwerte sich Kommissar Schauß, ohne inhaltlich auf den Vortrag seines Chefs einzugehen. »Komm rein, wir müssen noch ein Stück weiterfahren. Da, wo’s nach Mölschbach runtergeht, soll ein kleiner Parkplatz sein, und da würde uns der Förster erwarten.«
    »Welcher Förster?«
    »Keine Ahnung. Wirst du aber bestimmt gleich sehen.«
    »Hoffentlich nicht wieder dieser komische Scherzkeks vom Pfaffenbrunnen!«
    Tannenbergs inständiges Flehen wurde allerdings nicht erhört.
    »Ah, der Herr Forstdirektor Kreulisch, immer noch so gut gelaunt?«, versuchte er den ganz in dunkles Grün gehüllten Waidmann zu ärgern.
    »Kreilinger! Oberförster Kreilinger, Herr Kommissar! In fröhlicher Grundstimmung wie immer.«
    Tannenberg schaute sich um. Er konnte es kaum fassen: Auf dem kleinen viereckigen Waldparkplatz standen jede Menge Autos herum. »Das gibt’s doch nicht! Wieso ist hier nicht abtrassiert? Wieso sind die ganzen Autos hier?«
    »Das hat vorhin schon mal einer von euch gefragt. Ein anderer

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