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Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Titel: Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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anscheinend auf der Wetterseite, denn die Felsen waren dicht mit hellgrünem Moos und gräulichen Flechten überwuchert. Neben den aufeinandergetürmten Felsplatten stand eine prächtige Eberesche, deren ausladendes Wurzelwerk sich über die Steine und kleinen Felsstücke hinweg ausgebreitet hatte. In die aufgedunsene, gequälte Rinde ihres Stamms waren unzählige Initialen und Symbole eingeritzt.
    »Hallo, Leichenknipser, fotografier mir mal den Stamm hier. Ich will jeden Zentimeter haben«, schrie Tannenberg in Richtung des immer noch mit der Ablichtung des Leichnams beschäftigten Kriminaltechnikers. »Vielleicht hat unser Freund ja ein Andenken hinterlassen. Bei dem kann man wohl gar nichts ausschließen.«
    Irgendetwas störte Tannenberg an der Ästhetik dieses Naturdenkmals, er wusste zunächst nur nicht, was. Dann kam ihm plötzlich die Erleuchtung: Es war der nicht verwitterte graue Betonsockel, in den ein mit der Jahreszahl der Denkmalserrichtung verzierter Sandstein eingelassen war.
    »Wer hat denn eigentlich die Leiche entdeckt?«, fragte der Leiter der Mordkommission in die Runde seiner um das Sandsteindenkmal versammelten Mitarbeiter.
    »Ein Ehepaar aus Landau«, antwortete Geiger, der bislang recht teilnahmslos neben Fouquet gestanden hatte.
    »Ja, und wo sind die Leute?«
    »Im Krankenhaus, die Frau hatte einen Nervenzusammenbruch.«
    »Wundert mich nicht, Geiger. Die Vorderpfälzer halten eben nichts aus!«, bemerkte Tannenberg abschätzig. »Dann schnapp dir den Fouquet, und los ab ins Klinikum. Befragt mir die Leute noch mal ausführlich. – Karl, habt ihr irgendwelche Ausweispapiere gefunden?«
    »Absolut nichts; genau wie am Pfaffenbrunnen.«
    »Michael, komm, check mal die Vermisstenmeldungen!«
    »Hab ich schon veranlasst, die Zentrale meldet sich sofort bei mir, sobald sie was haben«, entgegnete Schauß, dessen Handy sich just in diesem Augenblick bemerkbar machte. »So ein Zufall, ich sag’s dir und schon melden die sich.«
    Ungeduldig wartete Tannenberg, bis sein Mitarbeiter endlich das Gespräch beendet hatte. »Und, haben die was?«
    »Die Beschreibung passt ganz genau: Blonde Locken, ca. 1 m 60 groß, bekleidet mit einer blauen Sporthose und einem gelben, ärmellosen Shirt. Das muss die Frau sein!«
    »Weiter: Wie heißt sie, wo wohnt sie?«
    »Jutta Müller, wohnhaft in Hochspeyer, Ringstraße 16. Wurde von ihrem Mann gestern Abend als vermisst gemeldet, weil sie vom Joggen nicht mehr nach Hause gekommen ist.«
    »Wo das ist, kann ich Ihnen sagen. Ich wohne nämlich auch in Hochspeyer. Das ist im Neubaugebiet, direkt unterhalb der Jugendherberge«, rief der Förster ungefragt dazwischen und beschrieb auch gleich den Weg dorthin: »Sie müssen einfach nur hinter dem Ortsschild rechts abbiegen.«
    »Klimaanlage oder Cabrio-Feeling?«, fragte Schauß, nachdem die beiden Ermittler wieder auf dem Waldparkplatz angekommen waren.
    »Was?«
    »Wolf, falls du es noch nicht gemerkt haben solltest, wir haben in unserem tollen neuen Dienstwagen die freie Auswahl.«
    Tannenberg verstand endlich. »Ach so. Natürlich Cabrio-Feeling!«
    Die Fahrt ging über heiße, flirrende Asphaltflächen, die ab und an von beschatteten Passagen unterbrochen wurden. Tannenberg schloss die Augen und labte sich ausgiebig an der kühlenden Frische des kräftigen Fahrtwindes.
    Wirre, zusammenhanglose Gedankenfetzen huschten blitzartig durch seinen Kopf, bis sie sich schließlich konkretisierten. Merkwürdigerweise bezogen sich die Bilder, die jetzt auftauchten, nicht auf die Gegenwart, sondern auf die Vergangenheit. Tannenberg fand keine schlüssige Erklärung dafür, dass ihn sein Gehirn ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt von den Fesseln dieses mysteriösen Mordfalls befreite und in eine Zeit zurückversetzte, die von Liebe, Glück, Zufriedenheit und Lebensfreude geprägt war. Tannenberg mochte diese floskelhaften seichten Begriffe eigentlich überhaupt nicht, aber immer, wenn er an seine intensive, völlig konfliktfreie Beziehung mit Lea dachte, drängten sich genau diese Begriffe ungefragt in sein Bewusstsein.
    Die Verkörperung dieser wunderbar unbeschwerten Zeit stand immer noch zu Hause bei ihm vor der Tür: Das feuerrote BMW-Cabrio. Er konnte sich noch ganz genau daran erinnern, wie sehr sie damals mit dem Kauf ihres absoluten Traumautos gerungen hatten. Wie oft waren sie bei BMW-Schäfer in der Merkurstraße gewesen, hatten sich den Wagen angeschaut, sich in die schwarzen Ledersitze geschmiegt, vorsichtig das

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