Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall
Aber im Wald hab ich’s ja auch nicht gemerkt! Wahrscheinlich wird er sich wohl jetzt erst mal zurückhalten, nachdem er mir das mitgeteilt hat. Eben weil er genau weiß, dass ich jetzt mehr darauf achte, ob ich beobachtet werde. Wieso weiß der das eigentlich alles über mich? Das muss doch irgendjemand aus meinem direkten Umfeld sein? Vielleicht Schauß?
Tannenberg warf einen kurzen Blick auf den neben ihm sitzenden jungen Kollegen.
Vielleicht der Fouquet, oder irgendeiner der anderen? Vielleicht sogar mein bester Freund, der Gerichtsmediziner? Oder mein Bruder? Oder der Oberstaatsanwalt? Oder etwa Geiger? Nein, der kommt nun wirklich nicht als Täter in Betracht; dazu ist der Kerl viel zu blöd, dachte Tannenberg und lachte kurz auf.
»Warum lachst du denn?«
»Ach, nichts Besonderes.«
»Jedenfalls gefällst du mir so schon wieder bedeutend besser! Wolf, wir dürfen uns einfach nicht unterkriegen lassen! Das sagst du doch auch immer! Wenn wir fest zusammenhalten, lösen wir auch diesen Fall! So wie die anderen vorher! Da brauchen wir doch keine LKA-Profilerin dazu, nicht wahr?«
»Nein, das schaffen wir auch ohne diese aufgeblasene Psychotante!«, antwortete der Leiter der Mordkommission, befreite den Sicherheitsgurt mit einem leisen Klickgeräusch aus seiner stählernen Arretierung und verabschiedete sich von seinem Mitarbeiter.
»Ich hab mir gedacht, zu deinem Ehrentag koch ich mal etwas ganz anderes. Etwas, womit du garantiert nicht rechnest. Etwas, was du früher immer so gerne gegessen hast. Was glaubst du wohl, was das sein könnte?«, begrüßte Margot Tannenberg im Flur ihren Sohn, dem sie so lange den Zutritt zur Küche verwehren wollte, bis dieser das Geburtstagsrätsel gelöst hatte.
»Mutter, das hab ich doch schon in der Glockenstraße gerochen: Dampfnudeln mit Weinsoße«, entgegnete Tannenberg stolz.
»Du Spielverderber!«
»Tut mir leid, aber ich hab’s wirklich von weitem gerochen«, entschuldigte sich der Kriminalbeamte, während er mit seiner Mutter im Arm in die Küche ging.
Die ältere Dame begab sich an den Herd.
»Und damit sie besonders gut werden, hab ich aus dem Keller extra den alten gusseisernen Topf hochgeholt. Da schmecken die Dampfnudeln ja viel besser, als aus diesem modernen Teflonzeug!«, sagte Margot Tannenberg, während sie den schweren Topfdeckel anhob, ihn blitzschnell auf den Rücken drehte und sofort das kondensierte Wasser mit einem Geschirrhandtuch abtrocknete. »Wolfi, was ist das Wichtigste an einer Dampfnudel?«
»Die dicke Salzkruste!«, antwortete Tannenberg wie aus der Pistole geschossen.
»Richtig! Die muss aber nicht nur dick, sondern auch braun sein!«, ergänzte seine Mutter. »Und das genau hinzukriegen, ist gar nicht so einfach.«
Jacob Tannenberg hatte inzwischen eine zweite Flasche Weißwein entkorkt, die er nun auf den festlich gedeckten Tisch stellte. Dann setzte er sich seinem Sohn gegenüber auf die Holzbank neben dem Kachelofen. »Weißt du eigentlich, wie viele Tannenbergs es in Deutschland gibt?«
»Nein, Vater, darüber hab ich mir wirklich noch nie Gedanken gemacht. Vielleicht zweihundert – keine Ahnung!«
»Falsch! Ganz falsch: Genau sieben.«
»So wenige?«
»So wenige«, wiederholte Jacob Tannenberg und wartete auf den Geistesblitz seines Sohnes. Aber der zeigte keinerlei Reaktion. »Du bist doch ein Kriminaler. Fällt dir nichts auf?«
»Nein, wieso?«, fragte Tannenberg, wobei ihm wirklich nicht klar war, worauf sein Vater hinauswollte.
»Kein Wunder, dass du diesen Mörder nicht fangen kannst. Wenn du das noch nicht mal kapierst!«
»Jacob! Halt dich doch wenigstens heute mal zurück! Schließlich hat Wolfi Geburtstag!«, schimpfte Mutter Tannenberg vom Herd aus.
»Na gut«, knirschte der Senior.
»Ja, ich hab’s endlich kapiert«, rief der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission genervt. »Hier bei uns wohnen genau sieben Menschen mit dem Familiennamen ›Tannenberg‹. Willst du etwa behaupten, dass es in Deutschland außer uns keine weiteren Tannenbergs mehr gibt?«
»Genau das, Herr Sohn!«
»Und woher will das mein lieber Herr Vater denn so genau wissen?«
»Ganz einfach, aus dem Internet. Da gibt es nämlich alle möglichen Datenbanken, oder wie das heißt. Dort gibt man einfach den Namen ein – und schwuppdiwupp bekommt man, was man haben will. Und bald mach ich Ahnenforschung. Da freu ich mich schon drauf. Ich bin nämlich unglaublich gespannt, ob es irgendwo auf der Welt noch andere Leute mit
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