Pinguin Mord
umklammerte den
Hörer fester. Seine Unruhe wuchs. Mit der freien Hand lockerte
er den Knoten seiner weinroten Krawatte und öffnete hastig den
obersten Hemdsknopf. Ihm wurde glühend heiß.
»Herr Meier, was
wollen Sie?«
Am anderen Ende der
Leitung ertönte Gelächter. Es klang
höhnisch.
»Sie sind der
Nächste auf unserer Liste, wussten Sie das?« Die Stimme
klang verfremdet. Der Anrufer sprach anscheinend durch ein
Taschentuch.
»Auf was
für einer Liste?« Hurtigers Schläfen pochten. Er
warf Kirsten Klein, die mit verschränkten Armen an der
Innenseite der Tür lehnte, einen hilfesuchenden Blick
zu.
»Sie sollten
vorsichtiger sein«, riet ihm der Anrufer. Hurtiger versuchte,
die Stimme einzuordnen. Er schätzte den Mann am anderen Ende
der Leitung zwischen dreißig und fünfzig
Jahre.
»Sonst
können wir nicht garantieren, dass Ihr Bier weiterhin nach dem
Reinheitsgebot gebraut wird.« Der Anrufer lachte
amüsiert über seinen eigenen Scherz. » Sie
verstehen mich …"
»Was wollen Sie
damit sagen? Ich meine, wollen Sie behaupten,
dass…«
Es klickte im
Hörer, dann herrschte Stille. Meier hatte aufgelegt. Ernst
Hurtiger starrte auf den Hörer in seiner Hand, dann legte er
ihn im Zeitlupentempo auf.
»Und?«,
fragte Kirsten Klein. »War es derselbe
…«
Hurtiger nickte.
»Ja«, murmelte er undeutlich. »Es wird
schlimmer.«
»Was wollte
er?«
Hurtiger blickte zu
Kirsten Klein auf, die sich nun auf die Schreibtischkante hockte.
Sie genoss sein Vertrauen. »Er will uns erpressen, glaube
ich. Wir sollten vielleicht die Polizei
einschalten.«
»Damit uns dann
vielleicht das Brauhaus abbrennt oder sonst was
passiert?«
»Das ist mir
lieber, als wenn vielleicht jemand vergiftet
wird.«
10
Freitag, 21:45 Uhr,
Biergarten, Wuppertaler Brauhaus
»Was ist denn
mit Hurtiger los?«, fragte Heike und nahm einen großen
Schluck Wupper Hell. Sie kannte den Geschäftsführer des
Brauhauses seit Jahren. Irgendwann hatte sie mal ein Interview
für einen Beitrag mit ihm gemacht. Ernst Hurtiger stand
nachdenklich im Eingang des Lokals und blickte ins Leere.
Normalerweise suchte er den Kontakt zu seinen Gästen, doch
heute wirkte er sehr in sich gekehrt.
»Was soll denn
sein?«, fragte Stefan kauend und tunkte die Gabel
Brauhausfritten in die Aioli. »Er hat die Bude voll und viel
zu tun.«
»Nein«,
erwiderte Heike. »Sonst sucht er das Gespräch mit den
Gästen und gibt sich leutselig. Aber heute?«
»Du hast ihn
halt lange nicht gesehen«, erwiderte Stefan und spülte
mit einem großen Schluck Wupper Hell nach. An den umliegenden
Tischen herrschte gute Stimmung. Es war eine laue Sommernacht, und
am Freitag musste niemand früh nach Hause. Entsprechend viel
Betrieb herrschte unter den weit ausladenden Kastanienbäumen
hinter dem Rathaus. Hurtiger marschierte sichtlich nachdenklich
durch die Reihen der Klapptische und Bänke.
Er schien die
anwesenden Gäste gar nicht wahrzunehmen. Erst als er den Tisch
von Stefan und Heike erreicht hatte, erwachte er aus seiner
Lethargie und lächelte.
»Ah, das Radio
ist heute Abend auch wieder vertreten. Schönen guten Abend,
die Herrschaften.« Hurtiger gab sich charmant wie immer. Doch
sein Blick huschte fahrig umher.
Die Radioreporter
erwiderten den Gruß und baten ihn, Platz zu
nehmen.
»Einen
Augenblick gern«, erwiderte Hurtiger und setzte sich auf die
Bank. Hurtiger war Anfang fünfzig, nicht sonderlich groß
und von schmaler Statur. Die grauen Augen, die hinter seiner Brille
sonst immer unternehmungslustig funkelten, blickten unsicher
umher.
»Sie habe ich ja
schon lange nicht mehr gesehen«, sagte er nun, an Heike
gewandt. Sie berichtete ihm, dass sie zwei Jahre in Berlin gelebt
und gearbeitet hatte. Nun aber hatte es sie wieder zurück ins
Tal gezogen.
»Das hört
man gern«, lächelte Hurtiger.
»Und wie laufen
die Geschäfte?«, fragte Stefan.
Hurtiger wiegte den
Kopf und deutete in die Menge.
»Nicht schlecht,
bei diesem herrlichen Wetter. Es gibt Gastronomen in Wuppertal, die
größere Probleme haben. Allerdings…« Er
zögerte und trommelte nervös mit den Fingern auf dem
Holztisch herum. »Allerdings habe ich ein ganz anderes
Problem.«
Heike warf Stefan
einen vielsagenden Blick zu. Siehst du, ich hab’s doch gleich
bemerkt, dass ihn etwas bedrückt!, sollte das
heißen.
»Geht Ihnen das
Bier aus?«, wagte Stefan einen Scherz und drehte sein Glas
zwischen den Händen. Hurtiger ging nicht darauf ein. Er zupfte
an seiner
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