Pinguin Mord
lächelte die Kollegin an und verschwand im Pausenraum.
Sie drückte die Tür ins Schloss und blickte zu den
schmalen Fenstern auf, die knapp unter der Decke lagen und nur
wenig Licht in den Raum eindringen ließen. Sie trat an den
einfachen Tisch, der in dem spartanisch eingerichteten
Aufenthaltsraum stand. Auf dem Tisch befanden sich einige halb
geleerte Mineralwasserflaschen und benutzte Kaffeetassen. Auf einem
Stuhl lag ein Hochglanzmagazin. Sie blätterte lustlos ein
wenig darin herum, legte die Zeitschrift weg und ließ sich
auf einen der harten Stühle sinken. Sie barg das
Gesicht in den Händen. Was hatte sie nur getan? Sie gab sich
eine Mitschuld an dem, was auf dem Johannisberg geschehen war.
Hätte sie sich nicht mit Karlheinz Kötter verabredet,
würde er vielleicht noch leben.
Sie überlegte
fieberhaft, wie sie aus dieser schrecklichen Geschichte wieder
herauskam, fand aber keine Lösung. Ein ungutes Gefühl
beschlich sie. Stand sie unter Mordverdacht?
13
Samstag, 11:50 Uhr,
Industriegebiet Hölker Feld
Das Gelände der
Spedition befand sich am Hölker Feld im Industriegebiet
Nächstebreck. Stefan musste nicht lange suchen. Der Laden war
ziemlich groß, und auf dem Verwaltungsgebäude prangte
der Name der Spedition in übergroßen Lettern. Er lenkte
den Käfer auf das weitläufige Gelände und studierte
die Aufschrift.
»Karl Wittwer -
International Transport and Logistics«, gab man sich
weltoffen auf dem Reklameschild am Eingang des gläsernen
Hauptgebäudes. Hier wurde auch samstags gearbeitet. LKW wurden
für Sonntagabend beladen, Mechaniker in ölverschmierten
Overalls kümmerten sich weiter hinten im Werkstattbereich der
Spedition um die schweren Fahrzeuge und musterten den Fremden
argwöhnisch. Der Geruch von Diesel hing schwer über dem
Hof. Stefan parkte den Käfer zwischen zwei dicken
Mercedes-Limousinen vor dem Verwaltungsgebäude. An den
Laderampen herrschte geschäftiges Treiben. Gabelstapler
surrten in der Lagerhalle herum und beluden die wartenden
Lastwagen. In einer Ecke des Hofes standen einige Fahrer zusammen,
tranken Kaffee aus Pappbechern, rauchten und spannen
Fernfahrergarn. Sie musterten den Radioreporter und erwiderten
seinen Gruß verhalten und fast misstrauisch. Doch davon
ließ sich Stefan nicht einschüchtern. Mit einem
freundlichen Grinsen näherte er sich den Truckern.
»Hallo«, grüßte er in die Runde. »Wo
finde ich denn hier den Chef?«
Die Fahrer tauschten
einige vielsagende Blicke. »Der Alte scheint aber heute ein
gefragter Mann zu sein«, brummte ein dunkler Hüne und
strich sich über den Dreitagebart. »Und das am
Samstag.« Seine Kollegen lachten. »Bist nicht der
Erste, der heute nach ihm fragt. Was bist du denn für ein
Schnüffler?«
»Schnüffler?
Schönen Dank auch. Ich bin von der
Wupperwelle.«
»Radio? So
so.« Der Hüne zog mit gespielter Anerkennung die
Mundwinkel nach unten und rieb sich durch die verschlafenen Augen.
Wie er aussah, war er die ganze Nacht durchgefahren. »Warum
ist Wittwer denn so gefragt heute?«
»Das musst du
ihn schon selber fragen«, brummte der Hüne.
»Vorhin war jedenfalls jemand von der Kripo
da.«
Stefan war also auf
der richtigen Spur. »Habt ihr eine Ahnung, was die vom Boss
wollten?« Seine Neugier war erwacht. »Hat er etwa einen
Fleck auf seiner weißen Weste?«
Die Trucker lachten.
»Wer hat denn heutzutage keine Leiche im Keller? Bei der
Politik und der Bürokratie bleibt das gar nicht aus. Seitdem
es die Maut gibt, ist das BAG wie wild hinter uns her. Mit
Abfangjägern lauern sie uns auf und sind ständig auf der
Jagd nach Mautprellern. Und den Alten kostet der ganze Mist ein
Vermögen.«
»BAG steht
für Bundesamt für Güterkraftverkehr und ist eine
Einrichtung, die uns Kutschern draußen mit Polizeigewalt und
Kontrollen Tag und Nacht das Leben zur Hölle macht. So was
gibt es in keinem anderen Land, nur in Deutschland«, wurde
Stefan von einem anderen Fahrer belehrt, der gerade dabei war, sich
in Rage zu reden. »Die sollten lieber mal die Polen und die
Russen von der Bahn ziehen, die zu Dumpinglöhnen arbeiten,
aber uns in Ruhe lassen.« Doch Stefan hatte keine Lust, mit
Wittwers Fahrern über die Gesetzeslage in Deutschland und
deren Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit zu diskutieren. »Mag
sein. Ich werd mal versuchen, eine Audienz zu kriegen, was?«
Stefan grinste jovial.
»Na, dann
versuch mal dein Glück.« Ein schlaksiger Fahrer mit
dünnem Haar, Stefan schätzte ihn auf Anfang vierzig,
zeigte
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