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Pinguin Mord

Pinguin Mord

Titel: Pinguin Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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geworden? Er hakte nach. »Ist Ihnen in
den letzten Tagen etwas aufgefallen? Eine Besonderheit, eine
Unregelmäßigkeit? Hat man Sie beobachtet, gab es
irgendwelche Drohbriefe oder Anrufe?«
    »Ich bitte Sie,
Herr Seiler!« Wittwer machte eine wegwischende Handbewegung.
»Nichts dergleichen, absolut nichts.« Nervös rang
er mit den fleischigen Fingern und starrte auf seine rotbraune
Schreibtischplatte. »Absolut nichts«, wiederholte er
dann, etwas leiser.
    Stefan spürte,
dass er log. Dennoch erhob er sich. Er reichte Wittwer seine Karte
mit dem roten Doppel-W der Wupperwelle. »Wenn Ihnen doch noch
etwas einfällt, rufen Sie mich einfach an.«
    »In
Ordnung.« Wittwer betrachtete das Logo des Senders, dann
ließ er die Karte kommentarlos in der Brusttasche seines
Hemdes verschwinden. 
    Stefan verabschiedete
sich. Frau Vogel hielt es nicht für nötig, aufzublicken,
als er an ihrem Schreibtisch vorbeiging. Sie klapperte auf ihrer Tastatur
herum wie ein Specht am Baumstamm. Stefan war es egal. Er hatte
genug erfahren. Als er zu seinem Käfer ging, stoppte ein
Lieferwagen in den Hausfarben der Spedition Wittwer vor dem Lager.
Zwei Mitarbeiter stiegen aus. Die Hecktüren des
dunkelgrünen Sprinters wurden geöffnet, der geköpfte
Pinguin ausgeladen und ins Lager geschleppt. »Das hat er nun
davon«, lachte einer der Arbeiter. »Was treibt er sich
auch mitten in der Nacht draußen rum, der blöde
Pinguin?«
    Sein Kollege kicherte.
Er deutete mit dem unrasierten Kinn zum Verwaltungsgebäude,
aus dem Stefan eben gekommen war.
    »Das sollte man
mit dem Alten auch mal machen - verdient hätte er
es.«
    Stefan hatte genug
gehört. Nachdenklich schloss er die Fahrertür des
Käfers auf und klemmte sich hinter das Steuer. Es war schon
spät, und am Nachmittag würde er das Fußballspiel
des WFC live aus dem Stadion Zoo kommentieren. So stand es
jedenfalls auf dem Dienstplan der Wupperwelle, den er selber
geschrieben hatte.

14
    Samstag, 12:45 Uhr,
Schwebebahnhof Kluse
    Der hagere Junge, der
am Bahnsteig der Schwebebahnstation Kluse auf und ab lief, war
etwas über zwanzig Jahre und hätte dem Video eines
Musiksenders entsprungen sein können. Seine Gesichtszüge
waren weich, fast mädchenhaft. Darüber konnte auch der
Flaum, der so etwas wie Bartwuchs andeuten sollte, nicht
hinwegtäuschen. Er trug ein Kapuzenshirt, viel zu weite Jeans
und ein verkehrt herum aufgesetztes Baseballcap. Sechzig Prozent
Arsch, vierzig Prozent Hose, so nannte man das wohl. Es war die Art
Hose, die schon im Regal des Kaufhauses vollgeschissen aussieht. Er
wartete mit einer Rentnerin und zwei schwatzenden Müttern auf
dem Bahnsteig. Unruhig marschierte er auf und ab und betrachtete
den Zeiger der Uhr, der beständig wanderte. Es war Mittag. Ein
sonniger Tag. Er hasste diese verdammte Hitze.
    In den Zeitungen
standen täglich neue Horrormeldungen rund um die nicht mehr
aufzuhaltende Klimakatastrophe. Die Polkappen schmolzen, und unten
auf der B7 staute sich der Verkehr. Hatten diese Idioten denn noch
nie die Werbung mit der furzenden Kuh gesehen? Manchmal wunderte er
sich über diese bescheuerte Gesellschaft. Aber augenblicklich
kreisten seine Gedanken um ein anderes Thema. Die Bahn lief ein,
mit leisem Summen öffneten sich die Türen des leicht
pendelnden Zuges. Passagiere stiegen aus, ohne ihn eines Blickes zu
würdigen.
    Als der Weg frei war,
bestieg er die Schwebebahn und suchte sich einen Sitzplatz im
hinteren Teil des Zuges. Niemand beachtete ihn, und das war ihm
auch ganz recht. Laut ratternd schlossen sich die Türen. Mit
einem leisen Surren der Triebwerke auf dem Dach der Bahn setzte
sich der orange-blaue Zug in Richtung Elberfeld in Bewegung.
Während die Bahn die Bundesallee überquerte, dachte er an
das, was hinter ihm lag. Vielleicht war er einen Schritt zu weit
gegangen, aber er bereute nichts. Jemand musste endlich ein Zeichen
setzen. Ein siegessicheres Grinsen lag auf seinem Gesicht. Dort
vorne, links hinter dem Sichtschutz zum Fahrerstand der Bahn,
saß sie. Ein strubbeliger blonder Wuschelkopf, strahlend
blaue Augen. Sie trug knallenge Jeans, darüber ein kurzes Top.
Obwohl fast zehn Jahre älter als er, empfand er sie als
attraktiv. Sie hatte ihn nicht bemerkt und blickte durch das
Fenster der Schwebebahn hinaus. Unter ihnen lag die Wupper, weiter
vorn zeichnete sich das 1926 eröffnete Gebäude des
Schwebebahnhofes Döppersberg ab. Die Zeit wurde knapp, wenn er
noch etwas erreichen wollte. Er war kein Stümper und

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