Pinguin Mord
Oberhausen Pionierarbeit geleistet. Das gefiel den
Wuppertalern, und so wurde er berufen, die Stadt wieder aufzubauen
und zu dem zu machen, was sie vor dem Krieg gewesen war. Er kam
also nach Wuppertal und plante das Neubaugebiet am Uellendahl und
einen Teil-Neubau des Opernhauses. Ein brillanter Architekt, und
die Schwimmoper sollte ihm zu weiterem Ruhm verhelfen.«
Kötter senior lächelte nachdenklich. Er war
vor einer kreisrunden Schieferformation am Boden des Museums stehen
geblieben und musterte das Kunstwerk der
»Cornwall-Schieferkreise« von Richard Lang.
»Professor Hetzelt kam auf mich zu und bat mich, am Bau der
Schwimmoper mitzuwirken.«
»Es gab keine
Ausschreibung, so wie das heute bei öffentlichen Bauvorhaben
üblich ist?« Heike wunderte sich.
Johann Kötter
zuckte die Schultern. »Keine Ahnung.« Er zwinkerte der
Reporterin schelmisch zu. »Und Paul Grotejohann vom Rott
hatte das Nachsehen. Er war ein Konkurrent der übelsten Sorte.
Und ich war offen gestanden froh, ihn ausgestochen zu haben. So
wurde ich vom Baustoffhändler endlich zum
Bauunternehmer.«
»Und das war Ihr
Durchbruch?«
»Allerdings. Nie
zuvor hatte ich die Chance, an einem derartig großen Projekt
mitzuarbeiten. In zwei Jahren Bauzeit wurden sechzehn Kilometer
Rohre verlegt, dreißig Kilometer Kabelleitungen,
unzählige Telefonapparate und sogar zwei Anzeigetafeln.
Zweitausend Sitzplätze wurden erschaffen. Das Dach hat eine
Spannweite von 65 Metern, so etwas hat es in der Stadt vorher noch
nie gegeben. Ständig kamen Leute von der Presse, um vom Bau zu
berichten. Sogar die Wochenschau kam, um uns bei der Arbeit zu
filmen. Ich hatte es geschafft, wenn man so will. Ich konnte, nein,
ich musste expandieren.« Seine Augen funkelten und seine
Wangen hatten sich gerötet, als er an die goldene Zeit dachte.
Der alte Herr schien in die Vergangenheit entschwunden zu
sein.
»Und so wurde
das Bauimperium Kötter geboren«, vermutete
Heike.
»Sagen Sie nicht
Imperium, das klingt so negativ, nach Macht und Reichtum.«
Der alte Herr blickte zu Heike auf und winkte ab. Jetzt schmunzelte
er sie väterlich an.
»Hatten Sie
keine Macht?«
»Schon.«
Kötter senior nickte. »Und was hat sie uns gebracht?
Nichts. Mein Sohn ist tot. Was jetzt aus der Firma wird, steht
in den
Sternen.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Gibt es keinen
Nachfolger?«
»Mein Sohn war
kinderlos. Gisela, seine Frau, konnte keine Kinder bekommen,
müssen Sie wissen. Ein Umstand, der Martha und mir nie
sonderlich behagte. Aber wo die Liebe nun mal
hinfällt…«
Sie waren
weitergegangen und standen nun vor einer Plastik. Die Figur einer
lebensgroßen Frau saß an einem runden Holztisch, auf
dem sich blaue und rote Farbsegmente befanden, die von weißen
Linien durchzogen waren. »Ruth am Tisch«, stand auf
einem Schild neben der Plastik. Heike fragte sich insgeheim, wann
sie vor Heinz auf dem Klo stehen würden. »Was für
ein Mensch war Ihr Sohn?«, wagte sie einen zweiten Anlauf,
das Gespräch in die richtige Bahn zu lenken.
Diesmal ruckte der
Kopf des alten Mannes zu ihr hinüber. Der Blick seiner
leuchtend blauen Augen, die trotz des hohen Alters eben noch wie
die eines unternehmungslustigen Jungen gefunkelt hatten, wurde
hart. »Er war ein eiskalter Geschäftsmann, ging
über Leichen, wenn jemand nicht nach seiner Pfeife tanzte. Das
war nie meine Unternehmensphilosophie, Frau Göbel. Dennoch -
ich hatte mich aus dem Geschäft zurückgezogen und meinen
Platz für die nächste Generation
freigemacht.«
»Hatte er
Feinde?«
»Natürlich.
Sicherlich mehr, als wir beide uns vorstellen können. Einer
von ihnen hieß Grotejohann.«
»Trauen Sie ihm
einen Mord zu?« Sie überlegte, wie sich die Geschichte
anhören würde, wenn der Unfall, bei dem Karlheinz
Kötter ums Leben gekommen war, gar kein Unfall, sondern ein
Mord war.
Johann Kötter
wirkte von einem Moment zum nächsten um Jahre gealtert. Sein
brauner, gesunder Teint war einem blassen Weiß gewichen. Er
rang mit den Händen, und Heike bemerkte erst jetzt die braunen
Altersflecken auf Kötters Handrücken.
»Sicherlich weht
im Gewerbe ein rauer Wind. Aber ich glaube nicht, dass ein Konkurrent meinen
Sohn auf dem Gewissen hat.«
»Haben Sie denn
einen Verdacht?«
»Eigentlich
wollte ich mit niemandem darüber reden. Aber ich bin ein alter
Mann und habe niemanden mehr, dem ich mich mitteilen
könnte.« Jetzt lächelte er wieder und zuckte mir
den Schultern. »Wer weiß,
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