Pinguin Mord
kennen seine Termine?«
»Nicht
alle.« Lächelnd beobachtete sie ihn. »Es ist
allerdings ungewöhnlich, dass er in unserem Haus Besuch
empfängt. Davon hätte ich bestimmt
gewusst.«
Den lauernden Unterton
in ihrer Stimme hatte Stefan nicht überhört. Er dachte
kurz nach, bevor er antwortete. »Ich habe ihn gestern in der
Spedition besucht. Allerdings war unsere Zeit knapp, da er in eine
Besprechung mit den Disponenten musste. Aus diesem Grunde haben wir
das Treffen verschoben, um …«
Irgendwo im Haus
schlug ein Telefon an. »Bitte entschuldigen Sie mich einen
Moment«, sagte Jessica Wittwer eilig, stellte ihr Glas auf
dem kleinen Beistelltischchen ab und verschwand mit wiegenden
Hüften aus dem Wohnzimmer. Stefan blickte ihr nach. Sie war
eine begehrenswerte Frau. Dennoch strahlte sie eine
unerklärliche Kühle und Distanz aus, die sie unnahbar
machte. Eigentlich war Stefan hergekommen, um etwas über das
private Umfeld der Wittwers herauszubekommen. Jetzt hörte er,
wie Jessica Wittwer in der Halle telefonierte. »Schön,
dass alles geklappt hat… Ja - so weit ganz gut. Ich habe
gerade Besuch …
Nein, du störst
nicht. Da ist ein Herr Seiler vom Radio. - Was? Nein, weiß
ich auch nicht.«
Stefan begann zu
schwitzen. So wie es sich anhörte, war ihr Mann am Apparat.
Ausgerechnet jetzt! Er würde auffliegen. Was sollte er tun?
Hals über Kopf türmen? Er entschied sich dagegen, wollte
schließlich nicht sein Gesicht verlieren. Trotzdem - wenn er
aufflog, würde er mächtig Ärger mit Eckhardt
kriegen, so viel stand fest. In der Halle ging das Telefonat
weiter, und er lauschte angestrengt.
»Er sagt, ihr
hättet eine Verabredung heute? Nein? Komisch, dann muss ich
noch mal nachfragen.« Eine kurze Pause. »Ist gut. Ich
melde mich dann.«
Kein mach’sgut,
kein ich liebe dich, nur ein ich melde mich dann. Kalt und
emotionslos, so, als würde sie mit einem Geschäftsfreund
reden und nicht mit ihrem Mann. Sehr verliebt schien sie nicht zu
sein. Unwillkürlich kam Stefan der Gedanke, dass sie Wittwer
vermutlich nur wegen seines Geldes geheiratet hatte. Mit dem
Telefon in der Hand erschien sie im Türrahmen und betrachtete
Stefan misstrauisch. »Sagen Sie mal, kann es sein, dass Sie
etwas verwechselt haben?«
Stefan zuckte die
Schultern und nippte mit möglichst gleichgültiger Miene
an seinem Wasser. »Warum?« Er hoffte, dass sein Gesicht
sich nicht schon tiefrot verfärbt hatte, und bemühte
sich, so unschuldig wie möglich dreinzuschauen.
»Mein Mann
weiß nichts von einem Treffen mit Ihnen.« Ihre Stimme
klang schneidend, während sie den großen Wohnraum
durchschritt und ans hohe Fenster trat. Scheinbar gedankenverloren
blickte sie hinaus auf die Straße. Sonnenstrahlen brachen
durch die alten Kastanien und tauchten die Umgebung in ein warmes
Licht. »Er weiß auch nichts von einem Interview, das
Sie mit ihm machen wollten.«
»Das verstehe
ich nicht.«
»Ach
nein?« Sie fuhr herum und betrachtete ihn mit einem
süffisanten Lächeln. Ihre Augen blitzten ihn an.
»Was wollen Sie wirklich, Herr
Seiler?«
Stefan räusperte
sich. Es war an der Zeit, mit der Wahrheit herauszurücken.
»Das ist eine lange
Geschichte.«
»Wir haben
Zeit.« Das Lächeln war auf ihrem aparten Gesicht
eingefroren. Jetzt wirkte sie wie eine dieser nostalgischen Puppen
mit Porzellankopf; ihr ohnehin schon blasser Teint war noch eine
Nuance weißer geworden. Früher war blass ja vornehm
gewesen, aber heute sah die junge Frau des Spediteurs einfach nur
ungesund aus. Und trotzdem wirkte sie sehr anziehend auf Stefan. Er
räusperte sich.
»Gut. Sicherlich
haben Sie schon davon gehört, dass es jemand auf die
Plastikpinguine der Pinguinale 2006 abgesehen
hat.«
»Unser Pinguin,
Wittwuppi, wurde zerstört, ja, das hat mir mein Mann
erzählt. Er hat Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Es wird
Zeit, dass man diesen Randalierern das Handwerk
legt.«
»Parallel dazu
beschäftigen zwei Morde die Wuppertaler
Kriminalpolizei.« Stefan atmete tief durch und achtete auf
jede Regung in ihrem Gesicht.
»Was hat das
eine mit dem anderen zu tun?«
»Auf den ersten
Blick nichts. Aber auch wenn die Polizei das noch nicht
bestätigt hat - ich sehe einen Zusammenhang zwischen den
Sachbeschädigungen an den Pinguinen und den
Morden.«
»Warum?«
»Auffallend ist,
dass die Besitzer der beschädigten - oder sollte ich sagen,
der geköpften? - Pinguine ermordet wurden. Vom Mord an Fritz
Plunger, dem Präsidenten des WFC,
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