Pinguine frieren nicht
darauf ertönte aus der Küche ein lauter, scharfer Schlag, die Frau schrie auf, dann wurde es still. Der Chef kam wieder und setzte sich.
»Es läuft alles bestens«, begann er. »Wir haben deinen Sponsor – Adidas. In ein paar Tagen kriegen wir die Trikots. Die Papiere sind fertig, wir können uns schon als ›offiziell‹ betrachten. Die Anmeldung zum Wettkampf schicke ich diesen Jugoslawen direkt aus dem Parlament, aus dem Sportkomitee…«
»Nicht Jugoslawen: Kroaten«, korrigierte Viktor.
»Ist doch das gleiche«, der Chef winkte ab. »Wir brauchen Reisepässe für die Jungs. Und wir schicken euch einen Journalisten mit, damit er von den Wettkämpfen berichtet. Hast du dir übrigens ein Symbol für die Mannschaft ausgedacht? Irgendein Emblem? Na, wie bei ›Dynamo‹?«
Viktor schüttelte den Kopf.
»Denk nach, denk nach! Es ist nicht mehr viel Zeit, und wir müssen noch alle möglichen Fanartikel produzieren…«
[486] »Und was, wenn…«, begann Viktor, dem plötzlich ein hervorragender, aber schon sehr unverfrorener Gedanke kam. »Was, wenn man Mischa zum Symbol der Mannschaft machen würde?«
Sergej Pawlowitsch überlegte.
Während er nachdachte, kam die Köchin mit einer großen Salatschüssel herein und stellte sie auf den Tisch. Dann sah sie den Hausherrn an.
»Soll ich die kalten Vorspeisen gleich bringen?« fragte sie.
»Nur zu, nur zu!« nickte der und wandte sich wieder Viktor zu.
»Möglich«, sagte er gedehnt, als ob er noch überlegte. »Den Pinguin, und in der Mitte der Buchstabe… Das Mannschaftslogo… Ein großes rotes ›A‹. Es-Ka ›Afghanistan‹…«
»Es-Ka?« fragte Viktor nach.
»Sportklub ›Afghanistan‹«, dechiffrierte Sergej Pawlowitsch. »Also gut, nehmen wir deinen Pinguin. Entschuldige übrigens, zum Essen kommt heute noch ein weiterer Gast… Es hat sich so ergeben.«
Viktor warf einen Blick zum Tisch hinüber und bemerkte, daß man für drei gedeckt hatte.
»Ich habe die Frau auf Empfehlung eingestellt«, fuhr Sergej Pawlowitsch fort. »Sie kocht hervorragend! Und für nur zweihundert Grüne im Monat!«
Als Hauptgericht gab es Schildkrötensuppe. Und der unvorhergesehene Gast, für dessen Erscheinen sich der Chef im voraus entschuldigt hatte, war der Ex-Redakteur der ›Hauptstadtnachrichten‹, Igor Lwowitsch.
[487] »Ein frischer Blick wirkt Wunder!« erzählte Sergej Pawlowitsch am Tisch, ein Glas Hennessy in der erhobenen Hand. »Gleich, nachdem ich sie eingestellt hatte, ließ ich sie nachsehen, was so alles im Kühl- und im Eisschrank zu finden war. Eine halbe Stunde später bringt sie mir zwei gefrorene Schildkröten! Nicht zu fassen! Mir fiel dunkel ein, daß das ein Geschenk vom Chef der Bezirkssteuerpolizei war. Und sie sagt: Ich mache Ihnen eine Suppe daraus, ich habe ein Buch mit Rezepten!«
Igor Lwowitsch, der gerade einen Löffel von dieser Suppe in den Mund schob, nickte beeindruckt.
»So muß sie sein!« bemerkte er und wischte sich mit der flachen Hand über die Lippen. »In Mexiko habe ich Schildkrötensuppe gegessen, die hat lange nicht so aromatisch geschmeckt! Dort füttern sie ihre Schildkröten wohl nicht richtig!« scherzte er.
Der Chef lächelte auch.
Nur Viktor fühlte sich ein wenig unbehaglich. Die Anwesenheit von Igor Lwowitsch freute ihn nicht im mindesten. Etwas sagte ihm, daß das Erscheinen seines Ex-Chefs sein, Viktors, weiteres Schicksal beeinflussen werde. Und fremde Einflüsse auf sein Schicksal hatte Viktor jetzt gründlich satt. Er wollte selbst entscheiden, er wollte nach eigenem Gutdünken stehenbleiben, sich umdrehen und weitergehen können. Er wollte gern glauben, daß sein Schicksal von seinem eigenen Willen abhing.
»Ich nehme an, du schickst deinen Sonderkorrespondenten mit unserer Mannschaft mit?«
Igor Lwowitsch nickte so, als hätten er und Sergej Pawlowitsch schon über dieses Thema gesprochen.
[488] »Mhm«, ergänzte er nach einem weiteren Löffel Suppe. Sein Blick fiel auf die ›Hennessy‹-Flasche, und Sergej Pawlowitsch fing den Blick gleich auf, nahm die Flasche und schenkte reihum noch ein Gläschen ein.
Viktor bemerkte in den Bewegungen des Chefs eine gewisse Geschäftigkeit. Ihm fiel wieder ein, wie der Chef sich für den zweiten Gast entschuldigt hatte. Sergej Pawlowitsch hing also in irgendeiner Weise von Igor Lwowitsch ab, war ihm in etwas unterlegen… Viktor zog eine Grimasse und spürte sofort Igor Lwowitschs fragenden Blick. Es war der Blick des Herrn der Lage, erstaunt über den
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