Pinguine frieren nicht
aufhielt.
Sergej Pawlowitsch kam heraus und ging auf den gedankenverlorenen Viktor zu. »Was stehst du hier rum?« fragte er ruhig. »Geh rein zu den Jungs! Ich habe ihnen deinen Text zum Lesen gegeben!«
Viktor ging wieder ins Haus und schaute bei den PR -Beratern vorbei. Dort stand anstelle des Kinderbettes schon ein Schreibtisch, darauf der Computer. Neben dem Computer machte sich Slawa mit verschiedenen Kabeln zu schaffen. Auf einem Sofa in der Nähe saß Schora. Er las das Programm, das Viktor geschrieben hatte. Dann schaute er hoch, nickte freundlich und las zu Ende.
»Hat der Chef es abgesegnet?« fragte Schora und sah Viktor wieder an.
»Ja.«
»Tolles Konzept! So eins ist an die fünf Riesen wert. Wir jagen es in den Computer, wir drucken es, entwerfen die Plakate… Man könnte übrigens die Rede noch ein bißchen aufs Geld bringen… Okay?«
»Was meinst du?« wollte Viktor wissen.
»In meinem Computer hier stecken etwa fünfzig Wahlprogramme, für Parteien, Parteilose, Populisten, was du willst! Und in deinem finden sich hübsche neue Ideen… Wir haben vor einer Weile den Bürgermeister von Gomel gemacht, der wollte auch so ausgeklügelte Versprechen. [97] Aber in Gomel lebt einfaches Volk. So habe ich es ihm auch gesagt – man muß ihnen Knete versprechen. Das versteht das Volk. Knete auf die Hand! Er hat auf uns gehört und ist jetzt ein zufriedener Bürgermeister. Kannst du mir folgen?« Schora sah Viktor ins Gesicht.
»Nein, kann ich nicht…«
»Du hast ein Programm für fortgeschrittene Kreise geschrieben, für Moskau oder Kiew… Deiner kandidiert doch in Kiew?«
»Das weiß ich nicht«, gestand Viktor.
»Na, du bist gut!« Schora maß Viktor mit einem mitleidigen Blick. »Hat er dir denn nichts erzählt?«
»Noch nicht.«
»Auweia… Und wie ist seine Stimmung heute, normal?«
»Normal.«
Schora nickte vor sich hin und verließ sein Hauptquartier. Viktor blieb allein im Zimmer mit Slawa, der schon den Computer angeschaltet hatte und auf die Tasten einhämmerte, die Nase hatte fast Bildschirmkontakt.
›Wo sind wohl die Zwillinge?‹ überlegte Viktor und sah sich um.
Dann trat er an den Computer und schaute über Slawas knochige Schulter auf den Bildschirm. Slawa ging gerade die Dateinamen durch. Er wandte sich um, als er Viktors Atem neben sich fühlte.
»Hast du auch Internet?« fragte Viktor.
»Ja«, nickte Slawa. »Ich brauche bloß Zugang zu einer Telefonleitung… Das haben wir in einer halben Stunde.«
»Und da«, Viktor nickte in Richtung Computer, »sind da wirklich fünfzig Wahlprogramme drin?«
[98] »Mehr.«
»Laß mich mal welche lesen!«
Slawa drehte sich verwundert um. »Unmöglich«, sagte er ruhig. »Das sind geschäftliche Informationen… Die Programme kosten Geld…«
»Ihr verkauft sie?«
»Natürlich, was denn sonst?« Slawa wandte sich vom Monitor ab, nahm die Brille von der Nase und putzte sie mit seinem Taschentuch. »Kein Programm, das man nicht wenigstens dreimal verkaufen könnte! Die Hauptsache ist, über alle Berge zu sein, wenn der Gewinner anfängt, es in die Tat umzusetzen.«
»Wieso?«
»Ach«, der Computermann winkte ab, »ein kleiner Scherz. Aber prinzipiell lautet die Grundregel für den PR -Berater: Verschwunden sein, ehe das Wahlergebnis bekannt wird. Denn wenn dein Auftraggeber nicht gewonnen hat, hält er sich an dich, und hat er gewonnen, kommen die Freunde seiner Konkurrenten… So ist das.« Slawa breitete die Arme aus. »Krieg ist Krieg…«
»Wo sind eigentlich die Zwillinge?« fragte Viktor.
»Schora hat sie irgendwo hingeschickt…«
16
Spät an diesem Abend spielte Viktor wieder Billard mit dem Hausherrn. Er hielt das Queue jetzt schon viel zuversichtlicher und versenkte damit sogar die eine oder andere Kugel.
»Na, was sagst du zu den PR -Beratern?« wollte Sergej [99] Pawlowitsch wissen, der diesmal für die späte Stunde ungewohnt sorgfältig gekleidet war: fein gebügelte schwarze Hosen und ein weißes Hemd mit Fliege.
»Ich weiß nicht«, antwortete Viktor unsicher. »Ich hatte noch nichts mit solchen Leuten zu tun… Soweit wirken sie ganz normal…«
»Würdest du ihnen denn völlig vertrauen?«
»Nein«, platzte Viktor heraus.
»Aha, das ist interessant!« Sergej Pawlowitsch richtete sich auf und verfolgte die beiden Kugeln, die wie auf Schienen in die Tasche an der fernen Bande liefen. Dann sah er wieder Viktor ins Gesicht. »Und du hast recht. Man darf Leuten nicht vertrauen, denen man so viel Geld
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