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Pinguine frieren nicht

Pinguine frieren nicht

Titel: Pinguine frieren nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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bezahlt! Besonders nicht, wenn sie den Luxus so lieben. Heute wollten sie, daß ich ihnen die beste Sauna der Stadt miete, gegen den Streß. Als du mit ihnen geredet hast, hast du da gemerkt, daß sie gestreßt waren?«
    »Nein.«
    »Ich auch nicht. Aber die Sauna habe ich ihnen trotzdem organisiert… Magst du Sauna?«
    »Ich weiß nicht, ich war nicht oft…«
    »Und hat es dir gefallen?«
    »Ja, schon…«
    »Pascha!« rief der Hausherr zur Treppe hin. »Mach die Sauna an!«
    Dann wandte er sich zu Viktor. »Wir haben hier auch eine. Nur eine bescheidene, elektrische…«
    Anderthalb Stunden später saßen sie schon in der kleinen, gemütlichen Kammer, genau zwischen dem Billardzimmer und der Tiefgarage. Sie saßen nackt auf [100] ausgebreiteten Handtüchern und schwitzten. Sergej Pawlowitsch goß einen Schöpfer Wasser mit Lavendelöl über den Haufen auf dem Ofen aufgeschichteter erhitzter Steine.
    Sofort füllte sich die heiße, trockene Luft mit einem angenehmen, seidigen Geschmack, der sich auf die Zunge legte.
    »In allem, was wir tun, steckt ein unerschlossenes Befriedigungspotential«, bemerkte Sergej Pawlowitsch milde und schläfrig. »Im Sex, im Duschen, im Billardspiel. In der Sauna ist es unerschöpflich… Und alles, was der Mensch nach der Sauna unternimmt, ist ein Klondike der Befriedigungen!«
    Um zwei Uhr nachts fuhr Sergej Pawlowitsch, jetzt wieder in gebügelten Hosen, mit weißem Hemd und Fliege, zu seinem Klondike der Befriedigungen: einem Rendezvous. Er sagte auch direkt zu Viktor: »Morgen früh werde ich wie eine ausgelutschte Zitrone zurückkehren!« Pascha setzte sich ans Steuer des Mercedes-Geländewagens, und Viktor blieb allein im Haus. Oder wenigstens kam es ihm so vor. Allerdings brachte die nächtliche Stille ihm keinen Schlaf. Sein ganzer Körper war nach der Sauna hellwach.
    Viktor stieg hinauf in sein Dachzimmer, machte das Licht an und legte sich aufs Bett. Er dachte an die Antarktis, an Bronikowski, an Mischa-Pinguin. Er dachte daran, daß seit einigen Stunden der Tag war, an dem der Hausherr ihm die Schlüssel zu seiner Wohnung wiedergeben wollte, bereits von Fremden, und das hieß, von Nina und ihrem Kerl ›gesäubert‹. Dann dachte er an Nina und suchte in sich nach Zweifeln und nach Mitleid mit ihr, fand aber nichts von beidem. Ihn beschäftigte vor allem, was mit [101] Sonja geschehen würde. In diesem Punkt beruhigte er sich jedoch bald. Sergej Pawlowitsch hatte ja versprochen, er würde sich was einfallen lassen. Viktor hatte sich schon davon überzeugt, daß der Hausherr nichts einfach ohne Folgen dahinsagte. Und das hieß, er konnte weiter ruhig unter diesem Dach wohnen und seine nicht besonders schwierige und nicht besonders klar definierte Arbeit erledigen, bis zum natürlichen Ende des ungeschriebenen ›Kontraktes‹, für den Viktor auf eine Zeitlang die Freiheit gegen ein Haus eingetauscht hatte und zur gesetzestreuen Schnecke geworden war, oder genauer, zu einer Schnecke, die sich dem Gesetz der Schnecke unterwarf.
    Vor dem Einschlafen holte Viktor den Brief des Bankiers Bronikowski heraus. Bisher hatten ihn verschwommene Erwägungen von Moral und Anständigkeit davon abgehalten, ihn zu lesen. Aber jetzt fand er in diesem Zwischenaufenthalt auf seinem Weg sogar eine Rechtfertigung für seine Neugier. Eine richtig angemessene: Er wollte sichergehen, daß es in dem Brief nichts Dringendes gab, keine Angelegenheiten mit Verfallsdatum, um die man sich schon hätte kümmern müssen.
    Meine geliebte Marina!
    Verzeih mir tausendmal. Ich bin weit weg und komme wohl auch nicht wieder. Der Mensch, der dir diesen Brief bringt, wird dir alles erzählen. Und jetzt habe ich ein paar letzte Bitten an dich. Diesmal sind es wirklich die letzten. Geh zu Fedja Sedych und sag ihm, daß ich an seinen Schwierigkeiten unschuldig bin. Litowtschenko hat mich reingelegt. Warum mit fremden Sünden das [102] Jenseits betreten! Meiner Mutter sag einfach, daß ich mich noch für lange Zeit im Ausland verstecke. Meinem Bruder kannst du die Wahrheit sagen. Die Wahrheit ist traurig – wenn ihr diesen Brief bekommt, gibt es mich nicht mehr… Auf seltsamen Wegen haben sie mich auch hier gekriegt. Durch den Koch. Nachts habe ich schreckliche Schmerzen, morgens geht es besser. Diese Schufte hätten doch etwas schnell Wirkendes nehmen können! Nein, sie wollten mich leiden lassen… Verzeih, ich rede wieder von mir…
    Das Geld müßte euch für lange Zeit reichen. Der Mann gibt euch meine

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