Pinguine frieren nicht
Bett mit einem beigen Überwurf und zwei langen, schmalen Kissen. Auf dem Boden lag ein blauer, dicker Teppich, dunkelblau wie der Nachthimmel, sogar mit Sternen. Dunkelblaue Gardinen verdeckten das Fenster zur Linken, rechts zog sich ein Spiegelschrank über die ganze Länge der Wand.
»Zieh Schuhe und Strümpfe aus!« sagte Marina und streifte ihre Schuhe ab.
Sie trat auf den Teppich, warf den Kopf in den Nacken und sah hoch zu dem Lampenschirm aus blauem, mattem Glas. Das Lämpchen war schwach und leuchtete unendlich sanft und entspannend.
»Mach die Augen zu und zieh dich aus!« flüsterte Marina, ohne den Blick von der sanften Lichtquelle zu nehmen.
In Viktor verwandelte sich die Kaffeewachheit in Energie. Auf einmal war ihm heiß, und nachdem er Schuhe und [197] Strümpfe ausgezogen hatte, trat er barfuß auf den weichen Himmelsteppich. Er starrte Marina an, die neben ihm schon ihr grünes Jäckchen auszog. Nach dem Jäckchen fiel die Bluse auf den Teppich, dann der lange Rock. Viktor konnte die Augen nicht vom Anblick dieser grünen Kleider auf dem blauen Teppich lösen. Marina begann die Strümpfe abzustreifen. Sie setzte sich auf den Teppich, streckte die Beine hoch und befreite sie aus ihrem durchsichtigen Gefängnis. Auch ihre Fußnägel glänzten grün. Viktor beobachtete die Koreanerin mit angehaltenem Atem. Wenn sie so auf dem Teppich saß, merkte man gar nicht, daß sie klein war, ziemlich kurze Beine und eine zu kleine Brust hatte. Nein, Viktor sah sie nicht mit kritischem Blick an, im Gegenteil, er verspürte plötzlich einen Hang zur Exotik. Und diese Exotik entkleidete sich gerade anderthalb Meter von ihm entfernt, für ihn und seinen Blick. Da wollten sich Viktors Hände heben und nach Marinas dunklem Körper und ihren kleinen Brüsten ausstrecken.
»Ich habe dir doch gesagt« – Marina sah Viktor ins Gesicht – »mach die Augen zu und zieh dich aus. Im Stehen kriegst du nichts zu sehen!«
Viktor tat, wie sie gesagt hatte. Er bewegte sich in Richtung Bett, aber da packte ihn Marinas feste Hand am Knöchel und stoppte ihn.
»Komm hierher!« flüsterte sie.
Viktor ließ sich auf den Teppich nieder.
»Ist dir kalt?« Die schmalen grünumwimperten Augen kamen seinem Gesicht ganz nah.
Kaum merklich berührte sie ihn mit den Lippen. Und nach dieser Berührung war ihm tatsächlich ein wenig kalt.
[198] »Warte!« Marina erhob sich, holte aus dem Spiegelschrank zwei blaue Samsung-Heizventilatoren und stellte sie zu beiden Seiten des Teppichs so auf, daß der künstliche warme Luftstrom Viktor von beiden Seiten traf. Sie schaltete sie ein und kehrte auf den Himmelsteppich zurück, umarmte den sitzenden Viktor, ließ sich mit dem ganzen Gewicht nach vorn fallen und warf ihn um. Jetzt lag er auf dem Rücken und blickte von unten in ihr rundes Gesicht mit dem geheimnisvollen, spöttischen Lächeln.
»Du bist jetzt mein kleines Boot!« flüsterte sie.
Gleich darauf fuhr ihre heiße Hand über seine Brust den Bauch abwärts. Die Hand prüfte sozusagen die Festigkeit seines Verlangens und half ihren beiden Verlangen, sich zu vereinigen. Das kleine Boot wurde von der Strömung mitgerissen.
»Schneller!« flüsterte Marina. »Schneller!… Noch schneller!«
Plötzlich schlug sie Viktor mit der flachen Hand ins Gesicht, gleich danach noch mal. Es tat nicht weh, er sah nur etwas aufmerksamer auf ihre geschlossenen Augen. Mit ihrer linken Hand hielt sie sich an seiner Schulter fest, und die rechte Hand schwebte wie die Hand eines Dirigenten über ihm, vibrierte in der Luft und schien auf den Moment zu warten, um ihm wieder ins Gesicht zu schlagen.
»Schneller«, hörte er sie wieder flüstern.
Bald legte sie sich auf ihn, und ihre Lippen berührten sein Kinn. Ihre beiden Hände lagen auf seinen Schultern. Er spürte, daß die Strömung dieses Flusses stärker war als er und daß er unterging. Warme Luft aus den Ventilatoren [199] überflutete ihn. Seine ausgetrockneten Lippen suchten nach Feuchtigkeit, und er fand ihre Lippen. In dem Moment bohrten sich ihre Nägel in die Haut an seinen Schultern, was weh tat und gleichzeitig gut. So fest er konnte, drückte er Marina an sich, um sie aufzuhalten und ihre Energie zu bremsen.
Sie öffnete ihre schräggeschnittenen Augen ein wenig.
»Was ist? Bist du müde?«
Viktor schüttelte den Kopf und ließ etwas lockerer. Ihr kleines Boot wurde weitergetrieben.
Am nächsten Nachmittag um vier, nach einem späten Frühstück, küßte Marina Viktor auf die
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