Pinguine lieben nur einmal
Supertaschenlampe und bestücke meinen CD -Spieler damit. Ja, ich besitze noch einen CD -Spieler, Baujahr 1998, der mit Batterien läuft. Meine große CD -Sammlung hat es mir bisher erschwert, vollständig auf MP 3 umzustellen. So ist es mir nun möglich, mit einem altmodischen Ghettoblaster, der über Lautsprecher Harry Potter abspielt, durch die Wohnung zu tigern, um nach einer besseren Akustik zu suchen.
Der neue Dauerbrenner auf Steffis Party ist jetzt Drei Tage wach. Ja. Nomen est omen. Wenn die weiter so ballern, werde ich drei Tage lang wach sein und schließlich an Erschöpfung sterben.
Bei meiner Suche nach einem geeigneten Platz zum Alleinsein, mich Ärgern und Harry Potter Hören, gehe ich nun strategisch vor: Steffis Wohnung zeigt zur Hausfront. Das heißt, der Lärm flutet über die Straße. Ergo: Um möglichst wenig davon mitzubekommen, werde ich mich in den Hinterhof verziehen. Dabei ist Draußen Sein gar nichts für mich. Ich bin ein Drinnie und kein Draußie, egal ob Winter oder Sommer oder Tag oder Abend. Egal ob Anfang Oktober kurz vor Mitternacht als einziger Mensch, der in diesem Haus schlechter Laune ist.
Ich nehme eine Decke mit und schleppe Rufus Beck, der unbeeindruckt vom Ortswechsel brav weiterquatscht, die Treppe runter und raus in den Hof. Hier ist die Lautstärke gedämpft. Ich raffe die schwere Decke um meine Schultern und kann endlich dem Hörbuch lauschen:
Die nächsten beiden Tage vergingen ohne größere Zwischenfälle, abgesehen davon, dass Neville in Zaubertränke bereits seinen sechsten Kessel zum Schmelzen brachte.
Oh, dieser Neville. Wenn ich ein Charakter in Harry Potter wäre, dann wäre ich sicherlich Neville Longbottom. Kessel schmelzen, das hört sich an wie etwas, das auch mir passieren könnte.
…
Harry spürte, wie Ron neben ihm leicht zurückwich – Ron verabscheute Spinnen.
Feli verabscheut Spinnen auch. Ich mag Ron, mit dem kann ich mich identifizieren, auch weil es heißt, er habe eine sehr große Nase. Ron ist einer, mit dem ich mich gerne abends mal auf einen Humpen Butterbier treffen würde.
Ich schaue in den Himmel. Ein schöner, runder Vollmond schmückt die schwarze Nacht, und es zeigen sich sogar ein paar Sternchen. Wären Rufus und ich nicht alleine hier draußen, sondern in Begleitung eines netten, jungen Herrn, dann wäre das alles sehr romantisch. Vollmonde und Sternbilder laden bekanntlich zum Kuscheln und Küssen ein.
Ach. Was ich wieder denke. Kuscheln und Küssen sind etwas, das ich schon gar nicht mehr kann. Das machen immer nur die anderen. Die dummen, schlanken hübschen Gänse, die irgendwas mit Medien studieren.
»Du hast ein kleines Mondproblem, wusstest du das?«
Ich erschrecke so sehr, dass ich aufschreie.
ICH HÄTTE GERNE TEE
Hinter mir ertönt ein angenehmes Lachen.
Ich wirbele herum. Es ist Janosch. Janosch, der mir sagt, ich hätte ein Mondproblem. Die Situation wird nur skurriler dadurch, dass Rufus Beck gerade mit seiner Reibeisenstimme irgendetwas vom Todesfluch erzählt.
Auch als ich mich wieder gefangen habe, klopft mein Herz weiter. Also, natürlich klopft es weiter, ich lebe schließlich noch, aber es klopft schneller, als es sollte. Einhundertachtzig beats per minute, mindestens!
»Janosch?«, ich richte die Frage gar nicht konkret an ihn. Ich richte sie an mich. Damit ich selbst merke, dass er es ist.
»Ja, so heiße ich.« Die Genervtheit schwimmt wieder in seinem Tonfall mit. Irgendwie ist sie ein Teil von ihm. Er klingt beinahe arrogant. Woran hat er mich erkannt? Hat er mich überhaupt erkannt?
Seine Wohnung hat einen direkten Zugang zum Hinterhof. Er steht in der Tür, lehnt gegen den Rahmen und hat die Arme verschränkt. Ich dachte immer, Jungs stehen nur deshalb mit verschränkten Armen in Türrahmen, weil sie es mal im Film bei irgendwelchen Brad Pitts gesehen haben und hoffen, durch Nachahmung dieser Haltung einen Funken von Hollywood-Coolness zu gewinnen und so die eine oder andere Angelina abzuschleppen. Es ist eine von den Gesten, die bei mir sofort Wirkung zeigen, das möchte ich gar nicht bestreiten.
»Ähm. Jaha. Stimmt.« Meine Stimme klingt kehlig und angespannt. Dann erinnere ich mich an seine Frage und stelle angespannt Gegenfragen: »Warum sollte ich ein Mondproblem haben? Und woher solltest du das wissen?«
Janoschs erneutes Lachen ist leiser, wärmer. Ich weiß nicht, ob er sich über mich lustig macht. Es könnte durchaus sein. Er ist so vielschichtig und ungreifbar– das spricht
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