Pinguine lieben nur einmal
gleichermaßen für und gegen ihn.
Er steckt die Hände in die Taschen seiner Jeans. Dabei zeigt er mir, vermutlich ohne es zu merken, seine blaukarierten Boxershorts. Manno! Auch so eine Filmgeste, die bei mir wahre Wunder wirkt.
Dann antwortet er endlich: »Ich wohne jetzt seit anderthalb Monaten hier, und in genau drei Nächten hast du Harry Potter gehört. Anfang September bei Vollmond. Vor zwei Wochen bei Neumond und heute. Wir haben wieder Vollmond. Du kannst bei Voll- und Neumond nicht gut schlafen und hörst deshalb CD s. Es kann natürlich Zufall sein, aber…«
Ich schaue erst auf meinen CD -Player und dann hoch zum Vollmond. »Ich hab immer gedacht, es hängt davon ab, ob ich viel nachdenke oder nicht.«
»Das heißt, du denkst lieber nach, anstatt dir auf der Party die Kante zu geben?«
»Ja«, antworte ich ehrlich.
»Weil Simon eure Verabredung geschmissen hat.« Er stellt mir keine Frage, sondern er stellt fest. Wie unverschämt. Warum weiß er davon? Und warum denkt er, dass mich das beschäftigt?
»Nein!«
»Vielleicht ist es genau andersherum: Du hast Gelegenheit zum Nachdenken, weil du nicht schlafen kannst.«
Ich weiche aus. »Woher weißt du, wann welche Mondphase ist?« Kaum ist die Frage aus meinem Mund raus, überlege ich, ob man sie diskriminierend interpretieren kann, und komme zu dem Schluss, dass nur jemand, der mir unbedingt Böses unterstellen will, sie missverstehen würde.
»Meinst du, ich hätte keinen Zugang zu Mondkalendern, nur weil ich…«
Weil Janosch offenbar in allem einen Angriff sieht, unterbreche ich ihn so schnell wie möglich. »Nein! Du verstehst mich immer falsch!« Er lacht. »Was gibt’s da zu lachen? Ich habe dir eine ganz normale Frage gestellt! Ich weiß nicht, welche Form der Mond zurzeit hat. Er sieht zwar im Moment sehr rund aus, aber es könnte gut sein, dass er erst morgen voll ist oder es gestern schon war.«
Endlich drücke ich die Stopptaste und bringe Rufus zum Schweigen.
Janosch lacht wieder. Lauter als zuvor. »Du regst dich gerne auf, stimmt’s?«
Ich lasse den Blick zu ihm wandern und sehe, wie er sich die Haare richtet. Alles, was mit Durch-die-Haare-Fahren zu tun hat, finde ich bei Männern ziemlich anziehend. Ich starre ihn an, so unverschämt, wie ich es ehrlich gesagt bei jemand anders nicht tun würde.
Es stimmt vollkommen, ich rege mich gerne auf. Aber ich finde, er gibt mir auch jeden Grund dazu.
Als ich nicht auf seine Stichelei reagiere, geht er auf meine ursprüngliche Frage ein: »Ich hab selbst Schlafprobleme, die am Mond liegen. Dann höre ich auch gerne CD s, aber du solltest deine echt mal wechseln. Du hörst dieses eine Kapitel jetzt schon seit Wochen.« Nun klingt seine Stimme anders. Ehrlich amüsiert. Fast witzig.
»Das hörst du?«
»Ich bin nicht taub.«
»Warum? Das war doch nur… ich mein doch nur…«, plustere ich mich auf.
»Ist mir schon klar, dass du das nicht gemeint hast. Es war bloß ’ne Floskel, okay? Du drehst die Anlage so laut, das hört jeder im Umkreis von einem Kilometer.«
»Okay, verstanden«, sage ich.
»Heute wirst du auch mit Harry Potter nicht schlafen können.« Er zeigt nach oben, vage in die Richtung von Steffis Wohnung. »Könnte eine lange, schlaflose Nacht werden. Ich habe Wasser aufgesetzt. Tee?«
Im ersten Moment kann ich es gar nicht glauben: Janosch lädt mich zum Tee ein. Es ist mitten in der Nacht, es ist dunkel, es gibt Sterne, einen kugelrunden, perfekten Vollmond, und ich ertappe mich dabei, wie ich wieder an die Sache mit dem Kuscheln und dem Küssen denken muss.
Gedämpft hört man es wieder krawallen und remmidemmien.
Etwas sagt mir, dass ich mich über Janoschs Angebot nicht zu sehr freuen sollte, weil er mir nur einen Tee angeboten hat und keine Verlobung. Dieses Etwas sagt auch, dass ich keine weiteren Gedanken an den Sternenhimmel und was man darunter alles anstellen könnte, verschwenden sollte. In diese wunderschöne Vorstellung passe ich mit meinem Schlabberpulli und der Schlafanzughose irgendwie nicht rein. Dafür sagt mir ein anderes Etwas, dass es in diesem Augenblick überhaupt nicht wichtig ist, wie ich aussehe.
Janosch dreht sich um und geht in seine Wohnung. Ich bin erstarrt und weiß nicht, was ich tun soll.
Nach ein paar endlosen Sekunden ruft Janosch gerade so laut, dass ich es hören kann: »Ich werde dir den Tee nicht nach draußen bringen.«
Als ich einige weitere endlose Sekunden nicht reagiere, sagt er in derselben Lautstärke: »Damit
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