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Pinguine lieben nur einmal

Pinguine lieben nur einmal

Titel: Pinguine lieben nur einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kyra Groh
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meinte ich, dass du reinkommen sollst.«
    Sollst. Er sagt, ich soll. Er sagt nicht, dass ich kann oder muss, sondern dass ich soll. Vorausgesetzt, Janosch ist mit dem korrekten Umgang von Modalverben vertraut, bedeutet dieses soll doch, dass er mich bei sich haben will. Oder überinterpretiere ich das jetzt?
    Ich neige zur Überinterpretation, obwohl sie Vor- und Nachteile hat. Man macht sich damit eine furchtbar schöne Zeit, weil man sich in furchtbar schönen Gedanken verliert, aber hinterher ist dann meistens alles schlicht furchtbar furchtbar.
    Warum interpretiere ich überhaupt? Was gibt es hier schon zu interpretieren oder besser: Was gibt es hier überzuinterpretieren? Warum mache ich mir so viele Gedanken? Ich arbeite seit zwanzig Jahren darauf hin– soeben habe ich das Endstadium erreicht: Ich. Werde. Wahnsinnig.
    »Äh, ja, ich komme«, nuschele ich mit einem dümmlichen, tussihaften Kehlengeräusch.
    Da höre ich Janosch leise lachen und bin mir dieses Mal sicher, dass er sich über mich lustig macht. Dennoch: Ich rappele mich auf, schleife die Decke und Rufus Beck hinter mir her und betrete seine Wohnung. Es ist stockfinster.
    »Hast du mal Licht? Ich kann gar nichts…« Sei doch einfach ruhig, du blöder Mund. Sei verdammt noch mal ruhig. Ich hasse dich!
    »Nichts sehen? Echt? Muss schrecklich sein.« Janosch lacht. »Direkt links neben dir ist der Lichtschalter. Ich empfinde es irgendwie als überflüssig, mir das Anschalten von Lampen anzugewöhnen.«
    Janoschs Bemerkung trifft mich volle Breitseite im Gesicht. Bäm! Mitten rein, sodass die Nase eklig knirscht und zu bluten beginnt. Ich würde ihm gerne sagen, dass er nicht ständig darauf herumreiten, dass er keine Witze über sich selbst machen soll, weil er dadurch bloß Witze über die anderen macht, die versuchen, normal mit ihm umzugehen. Damit macht er es einem unmöglich, ihn normal zu behandeln. Man fühlt sich immer schlecht und schuldig. Man schämt sich. Und so will sich niemand fühlen. Kein Mensch will das unangenehme Ziehen verspüren, das Janosch durch solche Sprüche auslöst.
    »Ich habe schwarzen und grünen Tee, außerdem Pfefferminz-, Kamille- und Früchtetee. Ich glaube sogar auch Apfel und Blutorange«, zählt er aus dem Gedächtnis auf.
    Das könnte ich nie. Niemals habe ich einen Überblick über meine Vorräte, weil ich nie mit Liste einkaufe, sondern eher nach dem Wonach-gelüstet-es-mir-Prinzip vorgehe. Wenn ich in der Küche nach etwas Essbarem suche, muss ich den Kopf in alle Schränke stecken, ehe ich weiß, welche Lebensmittel im Haus sind. Anschließend muss ich jene rausfiltern, die schon vor mehreren Wochen und Monaten abgelaufen sind, ohne dass ich es mitbekommen habe.
    »Mit Rooibos kann ich leider nicht dienen, auch nicht mit irgendeinem Heiße-Liebe- oder Wohlfühl-Wellness-Mist.«
    »Ähm. Ich mag eh keine parfümierten Tees. Ich mag mehr klassischen Tee. Mittlerweile stopfen die alles Mögliche da rein. Genau wie in Schokolade. Rosenblätter, Pfeffer und Chili. Das…« Ich rede wieder mal uninteressanten Mist, also beende ich den Satz langsam und wohlüberlegt mit: »Das mag ich alles nicht so.«
    »Ich wollte dir auch keine Chilischokolade anbieten. Keine Angst. Selbst wenn ich welche dahätte.«
    »Ach so«, ich werde ein bisschen kühl, »du musst nicht immer gleich pampig werden.«
    Fast erwarte ich einen Verbalangriff von Janosch, aber der bleibt aus. Lächelnd zieht er eine Schublade auf, hält verschiedene Teeschachteln an seine Nase und hängt dann einen Teebeutel in eine Tasse, ehe er routiniert zu einer anderen Schachtel greift, in der schwarzer Tee in Beuteln ist, und diesen in eine zweite Tasse hängt. Ohne sich vom Fleck zu bewegen, öffnet er den Kühlschrank, greift in ein Fach in der Tür und holt einen Tetrapak Milch heraus. Er gießt etwas davon in die Schwarzteetasse.
    Derweil blicke ich mich in der Wohnung um. Sie sieht aus wie beim letzten Mal: weiß, steril, ordentlich, karg und kalt. Das Display der Musikanlage leuchtet blau, und ein blinkendes Lämpchen zeigt, dass sie auf Stopp geschaltet wurde.
    »Was hast du gehört?«, frage ich und deute auf die Anlage.
    Janosch schweigt.
    Noch etwas ist anders. Eine große Schranktür neben der Anlage steht offen und gibt den Blick auf, wie es scheint, Hunderte CD s frei.
    »Mein lieber Scholli. Du hast vielleicht viele CD s.«
    »Ja, ich weiß.«
    Grrr. Er soll damit aufhören. Warum stelle ich ihm eigentlich immer weiter Fragen, obwohl ich

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