Pinguinwetter: Roman (German Edition)
solche Uhrzeiten rufe ich eigentlich niemanden mehr an, aber ich konnte nicht einschlafen. Und du glaubst es nicht – es ging eine Frau ran! Seine Frau!!!«
Mona legte für meine Reaktion eine Pause ein.
»Das Schwein!«, rief ich so empört wie möglich.
Mona nickte zufrieden. »Genau!«
Ich sparte mir meine Hatte-ich-dir-doch-gesagt-Kommentare, es war sowieso schon schlimm genug für Mona.
Sie starrte mit leerem Blick vor sich hin und fummelte gedankenverloren in dem Zettelwust auf meinem Couchtisch rum.
»Was ist das denn? Eine Spendenquittung?« Mit einem irritierten Blick zog Mona die Mormonen-Quittung hervor. »Mormonen-Bingo?!? Charly, was machst du denn?«
Vorwurfsvoll hielt Mona mir die Quittung hin.
»Ich bin halt karitativ veranlagt, aufopferungsvoll, sozial engagiert …«
»Bekloppt bist du, sonst nichts!«
»Lass mich, das ist doch egal. Viel wichtiger ist jetzt: Hast du ihn zur Rede gestellt?«
Zerknirscht und unterbrochen von drei- bis zehnminütigen Heulkrämpfen erzählte Mona mir den weiteren Verlauf des Intermezzos.
Die Schaffnersfrau hatte sich schon über die ganzen Überstunden ihres Mannes, seine ständige Duscherei und die neue Filzhülle für sein Handy gewundert und etwas geahnt. Als sie die unbekannte Nummer sah und ihr Mann gerade im Bad war, nutzte sie die Gelegenheit, an sein Telefon zu gehen.
Seine Frau hieß Hilde, und Mona fand sie sogar recht freundlich, die Umstände des Telefonates berücksichtigend. Klaus und sie waren seit fünfzehn Jahren verheiratet, und zumindest bis vor Kurzem war Hildes Meinung nach von Krise keine Spur vorhanden gewesen. Demnach waren die beiden auch nicht geschieden, wie der miese Schaffner behauptet hatte. Am Ende des Gespräches bat Hilde Mona lediglich, sich in Zukunft von ihrem Mann fernzuhalten und sich besser einen Piloten zu suchen. Schließlich seien deren Ehefrauen darauf vorbereitet, dass ihre Männer untreu seien (ein weiteres Hoch auf die Schublade!).
Mona hielt sich natürlich nicht daran und stellte den Schaffner am nächsten Tag um Punkt 7:16 Uhr auf Bahngleis 3 zur Rede. Offenbar machte dem Schaffner die Tatsache, dass er verheiratet war und Mona belogen hatte, weniger Sorgen, als dass Mona die Unverfrorenheit besessen hatte, mit seiner Frau zu telefonieren. Mona machte ihm eine Szene, die sich gewaschen hatte (Bahnhöfe bieten eine hervorragende Akustik und eine noch bessere Kulisse hierfür). Allerdings rächte sich der Schaffner für diese Bloßstellung auf bösartige Weise.
»Er hat gesagt, dass er meine Filzsachen eh nie mochte! Die waren ihm zu öko !« Mona heulte auf. »Wie kann er bloß so gemein sein?«
»Ja! Unverschämt! Der Mistkerl!« Ich gab mir alle Mühe, Mona den Rücken zu stärken. Mal abgesehen davon, dass er verheimlicht hatte, dass er verheiratet war, war eine Beleidigung ihrer Filzarbeiten so ziemlich das Gemeinste, was man Mona antun konnte. »Und jetzt? Hast du es ihm zurückgegeben, dem Penner?«, wetterte ich angriffslustig weiter.
»Ja, ich habe ihm gesagt, dass du in der Bar meintest, er sei ganz schön klein für sein Alter. Und was anderes auch!« Mona schnäuzte sich, und ein müdes Lächeln machte sich in ihrem Gesicht breit.
»Das ist gut! Und was hat er geantwortet?«, fragte ich.
»Gar nichts, er ist in den Zug eingestiegen. Der Blödmann kann mich mal. Einfach meine Filzsachen zu beleidigen! Tsss!« Mona schüttelte sich. »Dabei hatte ich ihm doch gerade erst ein kleines Säckchen für seine Trillerpfeife genäht. In Bahnblau! Das habe ich ihm aber vorher noch abgenommen«, erklärte Mona stolz.
Das war vorbildlich.
»Und jetzt?«
»Ich bin völlig fertig. Seit Tagen gucke ich mir nur Filme mit Schauspielern an, die tot sind. Das deprimiert mich irgendwie.«
Kein Wunder, dachte ich, das kommt mir bekannt vor .
Mona schnäuzte jetzt so laut in ihr Taschentuch, dass ich befürchtete, gleich mit weggeschnupft zu werden.
»Charly?«
»Ja?«
»Es tut mir leid.«
»Ich weiß.«
»Ich hab total überreagiert, das weiß ich jetzt. Du hast dich wie eine vorbildliche Freundin verhalten und warst nur ehrlich, und ich hab’s total vermasselt.«
Wieder schluchzte Mona auf, und sie erinnerte mich damit stark an das Brunftgeräusch eines männlichen Klippschiefers, aber ich hielt es für angebracht, Mona über derartige Gedanken nicht zu informieren.
»Ich hätte auf dich hören sollen. Von Anfang an.«
Nun, ja!
»Ach, das ist schon in Ordnung, Mona. Du warst eben verliebt, da
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