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Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Genterli erreicht den Hauptagenten der Agency, als er gerade das ›Tamaro‹ verlassen will.
    »Etwas los?« fragt Gellert.
    »Nein, nein – keineswegs«, beruhigt ihn der Bankmann. »Machen Sie Urlaub?«
    »So ungefähr …«
    »Und es geht Ihnen gut?«
    »Bin zufrieden«, erwidert der Angerufene, wiewohl er weiß, daß Genterli sein Wohlergehen am wenigsten interessiert.
    »Zufriedenheit ist Stillstand«, entgegnet der Mann aus Zürich. Sie lachen beide humorlos. Dann kommt der Mann mit der Goldrandbrille zur Sache: »Ich habe mich zwar vergewissert, möchte es aber doch noch einmal von Ihnen hören. Mit den ›Grover Clevelands‹ ist noch alles in Ordnung?«
    Einen Moment lang muß selbst Gellert nachdenken, um zu erfassen, daß Genterli die Tausend-Dollar-Noten meint, auf denen Cleveland abgebildet ist.
    »Ja«, bestätigt er dann. »Wollen Sie den Teufel an die Wand malen?«
    »Nur eine Sicherheitsmaßnahme«, erwidert der Bankdirektor und berichtet von der italienischen Kundin, die gerade zweihunderttausend Dollar in jeweils Tausend-Dollar-Scheinen in Schweizer Franken umgewechselt hat.
    »Es ist Ihnen nicht wohl bei der Lady?« fragt Gellert.
    »Bei dieser Lady wäre jedem Mann wohl«, behauptet Genterli. »Leider trägt sie den Kopf ein wenig hoch, aber ich habe Ihnen versprochen«, fährt er fort, »Sie auf neue Dollarkunden ab einer bestimmten Dimension aufmerksam zu machen. Ich habe vorsorglich alle Nummern notiert.«
    »Besten Dank«, erwidert der Resident der Bank-Agency. »Ich bin heute Abend in Zürich.«
    »Noch eine Frage zuvor«, sagt der Anrufer. »Nehmen wir einmal den schlimmsten Fall an – wer würde denn für den Schaden aufkommen?«
    »Wir natürlich«, entgegnet Frank Gellert beunruhigt. »Vorausgesetzt, daß Ihr Institut absolut dichthält.«
    Die Liste, die Gellert am Abend in Zürich übernimmt, läßt er unverzüglich nach Washington durchgeben. Die Überprüfung ist zeitraubend, aber der Untergrundexperte wartet das Ergebnis nicht ab. Er nimmt sofort in der Limmat-Stadt die Fahndung nach der schönen Unbekannten auf. Offensichtlich ist sie in keinem Hotel abgestiegen. Schließlich macht Gellert den Taxifahrer ausfindig, der sie von der ›Nobis‹-Bank direkt zum Flughafen nach Kloten gebracht hat. Er mußte auf Weisung der Italienerin so schnell wie möglich fahren, damit sie noch die ›Swiss-Air‹-Maschine nach Mailand erreichte. Ob das nur eine Verschlüsselung ihres Rückweges war und das tatsächliche Reiseziel weiter im Süden lag, läßt sich nicht feststellen, wird aber zu einer entscheidenden Frage, denn Partaker teilt Gellert in einem Blitzgespräch mit, daß mindestens sieben Tausend-Dollar-Scheine eine Doppelnumerierung aufweisen und daß zu befürchten ist, daß alle zweihundert Banknoten Falsifikate sind.
    Als günstiger Umstand erweist sich, daß der Mann mit der Goldrandbrille nicht nur die schlanken Fesseln der Besucherin, sondern ihre ganze Erscheinung eingehend gemustert und bewundert hat und zudem über ein gutes optisches Gedächtnis verfügt. Genterli korrigiert die Phantomzeichnung eines Spezialisten rasch und sicher und schätzt bei der Schlußfassung die Ähnlichkeit auf 80 bis 90 Prozent.
    Freilich, das gewisse Etwas der Gesuchten, das in der Luft lag wie ihr Parfüm, kann auch der geschickteste Zeichner nicht rekonstruieren.
    »Nun hör mir schon endlich zu!« sagt die junge Frau. »Ich weiß genau, daß du wach bist und dich nur schlafend stellst. Ich muß mit dir reden, hörst du, Bob? Es ist ganz wichtig«, drängt Gipsy Sandler.
    Es ist fünf Uhr morgens. Die Vorhänge sind zurückgeschlagen, spärliches Licht konturiert den Körper der jungen Frau. Sie schiebt sich die zerwühlten Haare aus der Stirn und rüttelt Bob Steel an den Schultern.
    »Früh um fünf wird nicht geplaudert«, sagt er schlaftrunken und mustert sie aus halb geöffneten Augen.
    »Ich hätte gleich mit dir darüber sprechen müssen. Ich war dazu fest entschlossen, aber du hast mich einfach überrollt. Wir sind beide so unbeherrscht, so unvernünftig …«
    Steel gähnt. »Schade«, sagt er dann, »daß man den herrlichen Blauschimmer deiner Haare bei dieser Beleuchtung nicht sehen kann, aber du hast eine prächtige Schulterpartie, und dein Busen – nein, ich glaube wirklich nicht, daß ich schon einmal einen so schönen gesehen habe, griffig und handsam …« Er will Gipsy an sich ziehen, aber sie weicht zurück.
    »Hör auf, Bob! Wir müssen jetzt miteinander

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