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Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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landschaftlichen Schönheit mit ihren hohen Bergen und der stillen Seen in die Alpenrepublik, aber nicht wenige bewerten die pekuniäre Diskretion als noch großartiger und machen so die Schweiz zu dem Land, in dem Milch und Money fließen. Trotz aller Überfremdungssorgen wird in Tells Land das Kapital immer ein Asyl finden – doch meistens sind es Neidgenossen, die das feststellen. Wo immer in der Welt ein Krieg tobt, sich ein Umsturz ereignet, ein Despot stürzt oder ein Wirtschaftsimperium wackelt, verdient sich Helvetia ein Strumpfgeld – und nimmt gegebenenfalls dafür noch Strafzinsen, die sie genauso erfunden hat wie die anonymen Nummernkonten.
    Gellert kommt keinen Schritt voran, und seine philosophischen Betrachtungen über Handel und Wandel, über die Konvertierbarkeit der Moneten und die möglichen Konvertiten der Redlichkeit sind Theorie und vielleicht auch nur Beschäftigungstheorie. In der Praxis suchte er bislang unter den vielen, die ihr Geld vor der Familie, dem Fiskus oder dem Vaterland retten oder vor einer Scheidung, der Pleite oder ihrem Kompagnon oder Komplizen beiseite schaffen wollen, vergeblich nach den Sendboten des Falschgeldes.
    Gelegentlich erweist Gellert bestimmten Bankleuten einen nicht alltäglichen Gefallen und kann, trotz aller Diskretion, mit einer ebensolchen Gegenleistung rechnen; aber hier steht er vor einer Wand, die erst brechen wird, wenn die Lardo-Lawine rollt.
    Es ist elf Uhr vormittags. Keine konkreten Verdachtsmeldungen von seinen Leuten, und die vier Nonnen, die bei vier verschiedenen Bankfilialen ›spiccioli‹, Kleingeldalmosen, einzahlen, interessieren ihn nicht. Erst später wird er erfahren, daß in diesem Moment in Zürich eine Kundin, die den Habitus und das Auftreten einer Millionärin hat, das Hauptgebäude der ›Nobis-Bank‹ betritt.
    In der Schalterhalle verlangt die Unbekannte, den Direktor zu sprechen.
    »Kennen Sie Herrn Genterli schon?« erkundigt sich der Mann am Schalter höflich.
    »Nein«, erwidert die hochgewachsene Blondine, »aber ich würde ihn gern kennenlernen. Es handelt sich übrigens um eine bedeutende Summe, über die ich mit ihm sprechen möchte.«
    Die Unbekannte ist etwa dreißig Jahre alt; sie spricht Deutsch, aber ihrem Akzent nach ist sie eine Italienerin, für eine solche sehr groß und sehr blond – aber die Größe wird von hochhackigen Ferragamo-Schuhen noch unterstrichen, das Blond könnte eine Färbung oder eine Zweitfrisur sein.
    Jedenfalls wird die Kundin mit devotem Respekt behandelt, telefonisch angemeldet und dann in das Direktionskabinett in die Beletage geleitet.
    Kundinnen, die wie Millionärinnen aussehen oder sich für solche ausgeben – sie unterscheiden sich schnell durch das Vorzeigbare –, verkehren hier häufig, doch beim Anblick der elegant-mondänen Erscheinung schnellt der korpulente Direktor mit den Froschaugen hinter der Goldrandbrille ein wenig schneller von seinem Stuhl hoch als üblich.
    »Jakob Genterli«, stellt er sich vor. »Ich hoffe, ich kann Ihnen dienlich sein, Madame.«
    »Das hoffe ich auch«, erwidert die Besucherin im Diamondnerz arrogant.
    Sie nimmt Platz, ohne sich vorzustellen, lehnt sich bequem zurück, holt aus ihrer Krokotasche eine Zigarette, läßt sich Feuer geben. Sie schlägt die langen Beine übereinander und verfolgt distanziert, wie das Vorstandsmitglied den Blickfang einen Moment anstarrt, als hätte er noch keine Nylons gesehen.
    »Sie sind noch keine Kundin bei uns, Madame?« Mit diesen Worten reißt er sich gewaltsam von ihren Beinen los.
    »Nein, das nicht«, entgegnet die unbekannte Blondine. »Aber ich könnte es werden.«
    »Das würde mich wirklich freuen, Madame«, antwortet der Banker mit einem vorfabrizierten Lächeln. Einen Augenblick lang vergleicht er die Unbekannte mit seiner Frau, die Delikatesse mit dem Stammgericht, und so lange tastet sich seine Zunge über die Oberlippe; er zieht das Gesicht eines Feinschmeckers, der den köstlichen Duft des Bratens schnuppert, der am Nebentisch serviert wird.
    »Ich habe Dollars«, sagt die Besucherin. »Einen höheren Betrag. Ich führe ihn bar bei mir und möchte ihn in Schweizer Franken tauschen. Entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie persönlich bemühe. Ich wollte das Geld nicht in der Schalterhalle vor aller Augen wechseln.«
    »Das ist nur vernünftig«, versetzt der Bankmann, dessen sorgfältig hingestriegelte Haare die Kahlflächen nur mangelhaft verbergen. »Welche Summe?« fragt er dann

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