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Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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sprechen.«
    »Wir haben doch noch Zeit genug dafür – in Europa.«
    »Ich fliege nicht nach Europa«, antwortet Gipsy.
    »Was sagst du da?« erwidert er und dreht sich zu ihr um, den Oberkörper auf den Ellbogen abgestützt.
    »Ich werde morgen bei ›Myers & Niggel‹ kündigen.«
    »Krach?«
    »Nein«, entgegnet sie. »Es fällt mir nicht leicht, dir jetzt alles zu gestehen: Ich bin gar nicht aus der Werbebranche.«
    »Ach, nein«, versetzt Steel. »Du hast nur ein bißchen angegeben, um dich interessant zu machen. Wie mich das trifft!« Er lacht und zieht Gipsy an sich.
    Was aus dem Clinch wird, wissen beide nur zu genau, deshalb schiebt sie ihn weg.
    »Vielleicht zerstöre ich jetzt alles«, fährt sie fort, »aber ich sehe keinen anderen Ausweg.«
    Daß es Gipsy damit ernst ist, spürt Steel. Er war gestern Abend in ihr Apartment im ›Plaza‹ gekommen; er hatte sich noch keine Taktik zurechtgelegt. Wiewohl er wußte, daß sie als Bettspionin auf ihn angesetzt war, erlag er ihrem prickelnden Flair. Es war ein Sturm ohne Worte, und es paßte durchaus in Steels Absicht, seinem Auftraggeber Mißtrauen und Tücke heimzuzahlen. Die Romanze mit Gipsy war bestellt und gestellt. Sie mochte eine großartige Darstellerin im Bett sein, aber da war sich der Erfahrene ganz sicher, die Leidenschaft war echt, und zwar auf beiden Seiten.
    »Hast du es denn immer noch nicht begriffen? Verdammt noch mal – ich liebe dich, Bob«, fuhr sie ihn an.
    »Das trifft sich gut«, entgegnet er. »Ich mag dich auch und …« Noch einmal versucht Steel, das Gespräch abzufälschen. »Warum versagst du dich dann mir?«
    »Weil ich nicht möchte, daß unser Zusammensein vom Sex lediglich übertüncht wird. Du mußt mir jetzt zuhören.«
    »Sprich!« erwidert er gottergeben.
    »Ich muß dir etwas gestehen: Männer waren für mich immer nur Spielzeuge, ich habe sie ausgenutzt, verschaukelt, hintergangen und gegeneinander ausgespielt. Ich habe ihnen Gefühle vorgetäuscht, die ich nie empfinden konnte. Ich war ungut, bösartig, berechnend, ich habe die Männer belogen und mich dabei selbst betrogen.«
    »Post coitum omne animal triste«, stoppt sie Bob. »Latein«, setzt er hinzu.
    »Was heißt das?«
    »Nach dem Liebesakt ist jedes Lebewesen traurig«, versetzt er grinsend. »Also, beknirsch dich nicht zu sehr. Außerdem stehen wir davor und nicht danach …«
    »Das fragt sich noch«, entgegnet Gipsy. »Einmal hängt es davon ab, ob du mir jetzt weiterhin folgst, ohne mich zu unterbrechen, und zum zweiten, ob du überhaupt noch willst, wenn du erfährst, was ich dir sagen muß.«
    »Ich will immer«, kontert er, aber er merkt, daß seine Albernheit heute nicht zündet.
    Steel hört einen Unterton heraus, der echt klingt. Eine so gute Schauspielerin kann sie doch nicht sein. Er spürt ein gewisses Unbehagen, weil sich ankündigt, daß das Zusammensein mit der Madonna in Schwarz einen ganz anderen Verlauf nehmen könnte, als er geplant hatte.
    »Nun ist auf einmal schlagartig alles anders«, erklärt Gipsy. »Es hat mich erwischt, und zwar plötzlich wie ein Blitzschlag. Erstmals im Leben habe ich erfahren, was Erfüllung ist.« Sie betrachtet ihn bittend, ihre Augen glänzen aus dem Dunkel. »Ich hab's dir ja schon gesagt, und ich wiederhole es: Ich liebe dich, ob dir das recht ist oder nicht.«
    »Es ist mir recht«, antwortet er und hört am Klang seiner Stimme, daß er in diesem Moment ein erbärmlicher Laiendarsteller ist.
    »Ich werde es dir beweisen, Bob«, fährt Gipsy fort und setzt traurig hinzu: »Obwohl ich damit Hand an unsere Beziehung lege.«
    »Echt weibliche Logik«, spottet Steel, aber Gipsy geht nicht darauf ein.
    »Unsere Begegnung im Flugzeug war nicht zufällig«, leitet sie ein. »Ich habe mich vor einem halben Jahr für den US-Geheimdienst verpflichten lassen. Zur Einarbeitung wurde ich in die Schweiz geschickt. Der dortige Resident gab mir den Auftrag, mich dir auf dem Flug zu nähern, mich mit dir anzufreunden, dich auszuhorchen und alles weiterzumelden, was ich erfahre.«
    »Dann hast du gemeldet, daß ich ein guter Liebhaber bin«, erwidert Bob.
    »Ich habe gemeldet, daß du laut eigener Angabe sechzigtausend Dollar in deinem Bordcase mit dir geführt und auf deinem Konto bei der Chase-Manhattan einbezahlt hast.«
    »Dear me«, startet Steel einen letzten Versuch, die Sache ins Lächerliche zu ziehen. »Da hättest du mich ja ganz hübsch beklauen können. Wie geht's nun weiter in unserem Melodram?« fragt er.

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