Pinien sind stumme Zeugen
»Hat man dir gesagt, der Mohr hat seine Pflicht erfüllt, der Mohr kann gehn?«
»Nein«, erwidert Gipsy. »Man hat mir gesagt, daß du künftig vorwiegend in Italien operieren wirst, daß ich dich dort wieder treffen und den alten Auftrag weiter ausführen muß.«
»Nun willst du nicht mehr?«
»So ist es«, bestätigt die junge Frau. »Ich möchte dich um Verzeihung bitten. Es tut mir schrecklich leid. Aber als ich den Auftrag übernahm, dich zu bespitzeln, kannte ich dich ja noch gar nicht.« Sie sieht ihn voll an, spricht langsam, stockend. »Ich muß dir sagen, daß ich volles Verständnis dafür habe, wenn du dich jetzt von mir trennst …«
»… um mir zunächst einmal unter der Dusche einen klaren Kopf zu holen«, gibt er eine typische Steel-Antwort und springt aus dem Bett.
Er läßt sich den kalten Strahl auf die Haut prasseln. Er war entschlossen gewesen, Gipsy nicht merken zu lassen, daß er sie durchschaut hatte. Soweit ihm Zeit für sie blieb, wollte er sie aufs angenehmste nutzen, sonst aber auf der Hut sein vor der Spionin und sie ohne ihr Wissen als Medium nutzen. Auf diese Weise hätte Steel Partakers kränkende Kontrolle unterlaufen und ihm dabei wichtige Nachrichten verheimlichen oder notfalls sogar falsche zuspielen können. Alles im Interesse seiner Arbeit natürlich – er wollte die wiedererstandene ›Operation Bernhard‹ endgültig beenden. In freier Wildbahn, wie zugesichert, und nicht an der langen Leine, nach seiner Methode und mit seinen Männern. So nebenher war Steel entschlossen, nach dem Finale Partaker vorzuführen, daß nicht er der Dumme gewesen war, sondern der CIA-Gewaltige.
Er trocknet sich ab und geht zurück.
Gipsy sieht rührend aus. Sie wagt kaum, ihn anzusehen. Steel tritt an sie heran, hebt mit dem Zeigefinger ihr Kinn hoch und küßt sie.
»Du trägst mir das nicht nach?« fragt sie mit einer Stimme, der man die Erleichterung anhört.
»Okay«, erwidert er.
»Du verzeihst mir, daß ich so schamlos …«
»Ich sagte okay«, schneidet er weitere Erörterungen ab. »Nur eine winzige Gegenbedingung muß ich stellen: Du wirst nach Europa nachkommen. Wir werden in Italien wieder zusammentreffen. Du wirst Partaker oder seinen Beauftragten weiterhin laufend Bericht über mich erstatten …«
Gipsy schüttelt den Kopf.
»… aber du wirst ihm nur melden, was ich dir freigebe«, setzt er hinzu. »Ich hadere nicht mit dir, sondern mit ihm. Ich beabsichtige keine krumme Tour. Ich werde die Geldfälscherbande zur Strecke bringen. Vielleicht ist es nur verletzte Eitelkeit … Jedenfalls werde ich bei dieser Gelegenheit dem Vize-Boss seine Hinterhältigkeit heimzahlen.«
»Das heißt also«, entgegnet Gipsy, »du willst künftig mich so benutzen, wie ich dich benutzt habe.«
»Nicht nur das«, versetzt Steel. »Erst mach ich dich hörig – und dann lieben wir uns gehörig.«
Er fällt über sie her und Gipsy über ihn. Ihre Körper verkeilen sich ineinander. Abwechselnd greifen sie an und verteidigen sich, schüren und dämpfen, streicheln und beißen sich, steigern sich zur Explosion und überleben sie. Endlich schlafen sie erschöpft ein und erwachen erfüllt.
»Was hättest du denn getan, wenn ich eine Glatze hätte, einen dicken Bauch, schlechten Atem oder …«
»Man hat mir nicht befohlen, mit dir zu schlafen«, erwidert Mary Sandler.
»Sondern?«
»Man hat auch nichts dagegen gehabt«, versetzte sie grimmig. »Und nun möchte ich nicht mehr darüber sprechen.«
»Kommst du mit zum Flugplatz?«
»Soll ich das tun?«
»Unser Doppelspiel erlaubt das ohne weiteres«, entgegnet Steel lächelnd. Nach einer Stunde erfährt er, daß der Start des Flugzeugs wegen Schlechtwetters mindestens bis Mittag verschoben werden muß.
»Wir holen Sie mit dem Wagen rechtzeitig ab«, erklärt ihm der Pilot. »Bleiben Sie bitte im Hotel. Ich hab' auch schon Mr. Plesco verständigt. See you later, Sir.«
Gegen Mittag klart es auf. Steel hat sich von Gipsy verabschiedet und sitzt schon angeschnallt in der DC-6, als man ihn noch einmal zurückruft. Es ist Ginty. »Gut, daß ich dich noch erreiche, Bob! Ich melde mich aus der Strafanstalt Great Meadow …« Er spricht wie ein Langläufer, der als Verlierer durchs Ziel gehechtet ist. »Leider bin ich zu spät gekommen – genau um 17 Minuten. Bluesmith ist verunglückt.«
»Tot?« fragt Steel.
»Er ging über den Gefängnishof. Auf dem Dach wurden Ausbesserungsarbeiten vorgenommen. Bluesmith fiel ein Balken auf den
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