Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
vor unserer Haustür.«
    »Gut, wenn du meinst, dann übergebe ich also diesem Captain unsere persönlichen Fotos und die Papiere.«
    »Nur leihweise«, beschwichtigt Müller-Malbach seine Frau. »Kannst du dich an den ›Konsul‹ erinnern, diesen Mann von der Reichsbank? Du weißt schon, einen großen Blonden mit …«
    »Ja, ich glaube schon«, antwortet die Telefonierende zögernd.
    »Soweit ich mich erinnere, war er 1944 auf der Geburtstagsfeier des Obergruppenführers in der Villa«, antwortet der Mann aus Landsberg. »Auf einigen der Schnappschüsse muß der ›Konsul‹ zu sehen sein. Ich möchte, daß du diese Fotos heraussuchst und dem Captain den ›Konsul‹ zeigst. Ich kann mich doch auf dich verlassen, Alma?«
    »Wenn ich dir helfen kann, tue ich es natürlich, auch wenn ich es nicht ganz verstehe«, erwidert die Frau des Verurteilten mit traniger Stimme.
    Der Captain verläßt den Raum, um den Eheleuten Gelegenheit zu privatem Gespräch zu geben. Auch Menschen, die sich schuldig gemacht haben und jetzt dafür büßen müssen, haben ein Recht auf eine Intimsphäre. Der CIC-Offizier prolongiert das Gespräch noch einmal um eine Minute, dann kommt er zurück, nickt Frau Müller-Malbach zu. Sie legt auf; er bezahlt die Gebühr. Auf dem Rückweg zum Einfamilienhaus geht die Frau mit dem eingefallenen Gesicht und den glanzlosen Augen nur noch einen halben Schritt hinter dem Uniformierten her.
    Neugierige Dorfbewohner bestaunen den Hubschrauber der US-Armee, unter ihnen Ernst jr. der siebzehnjährige Sohn der Müller-Malbachs.
    Die Mutter winkt ihn heran.
    »Du weißt doch, wo wir seinerzeit die Foto-Alben vergraben haben.«
    Er nickt und wirft einen Seitenblick auf Captain Gambler.
    »Hol sie her.«
    »Der Boden ist doch schon so hart, und die Blumen werden …«
    »Hol sie her, und zwar so schnell wie möglich«, befiehlt die Mittvierzigerin mit verschärfter Stimme. »Dein Vater wünscht es.«
    Sie gehen ins Haus. »Ich würde Ihnen ja gern etwas anbieten, aber …«, behauptet die Frau des Verurteilten.
    »Schon gut«, entgegnet Gambler. »Zigarette?« fragt er.
    Sie nickt und entnimmt dem Päckchen eine ›Chesterfield‹, ohne sie anzuzünden. Vermutlich verwahrt sie sie als Tauschobjekt. Der Captain läßt wie zufällig die ganze Schachtel auf dem Tisch zurück. Eine Amizigarette kostet auch noch nach der Währungsreform eine halbe Mark.
    »Was wollen Sie eigentlich vom Konsul?« fragt die unfreiwillige Helferin mit rauer Stimme.
    »Falls er noch lebt, möchte ich ihm ein paar Fragen stellen.«
    »Und wenn die Fragen beantwortet sind, werden Sie Ernst dann hinrichten?«
    »Nein, das werden wir nicht«, erwidert der Captain. »Die Exekution ist ausgesetzt, und wir werden sie so oft verschieben, bis Ihr Mann automatisch begnadigt wird. Das haben wir ihm zugesichert.«
    »Sie haben ihm es zugesichert?«
    »Im Auftrag der US-Army. Seien Sie nicht so mißtrauisch, Frau Müller-Malbach. Wenn wir Ihren Mann an die Polen ausgeliefert hätten, wäre er längst nicht mehr am Leben.«
    »Entschuldigung«, versetzt sie, »aber ich mache zur Zeit sehr viel mit.«
    Der Junge schleppt Alben und Privatpapiere herbei. Mehrfach in Wachstuch eingehüllt, haben sie keinen Schaden genommen. Schlüssig und zielstrebig blättert die Zeugin die Folien durch, stockt, schüttelt den Kopf, greift zum nächsten Album.
    Dann sieht Gambler an ihrem Gesicht, daß sie fündig geworden ist.
    »Hier«, sagt sie und deutet auf einen Mann im Hintergrund.
    »Das ist der ›Konsul‹.«
    »Bitte suchen Sie weiter«, fordert sie der Captain auf. »Vielleicht finden wir noch bessere Aufnahmen.«
    Er stellt drei Schnappschüsse sicher, von denen einer sehr brauchbar ist; er hält das Gesicht Bessermanns, wenn auch vom Blitzlicht etwas verzerrt, deutlich fest. Dann überfliegt Gambler auch noch die Privatkorrespondenz und gibt sie der Erleichterten zurück. »Auch die Fotos erhalten Sie wieder«, versichert der Offizier. Er nickt der Frau im Waschkleid zu. »Goodbye, Mrs. Müller-Malbach.«
    Der Helikopter startet sofort nach München zurück.
    Gambler läßt im Fotolabor Vergrößerungen und Vervielfältigungen herstellen.
    Dann fliegt er nach Landsberg. Müller-Malbach bestätigt, daß seine Frau sich nicht geirrt hat. Anschließend läßt sich Steels junger Mann Häftlinge aus Bank- und Industriekreisen vorführen. Er gibt sich betont höflich, bietet ihnen Platz und Zigaretten an, bevor er die Fotovergrößerungen vorweist.
    »Kennen

Weitere Kostenlose Bücher