Pinien sind stumme Zeugen
»war es Zufall. Meistens tippten unsere Etappenstrategen auf die falschen. Wie bei ›Blow up‹: Achtzehn unserer Jungs wurden auf Landungsbooten der Marine an die Küste geschafft, am falschen Ort, am falschen Tag und zu den falschen V-Leuten. Nur drei entkamen – Herbie Miller wurde von seiner heutigen Witwe versteckt, Panizza schlug sich nach Rom zu italienischen Verwandten durch, und Charly Poletto setzte sich zunächst in Luzifers Lager in die Pineta von Tombolo ab. Alle anderen, am späten Freitag gelandet, wurden im Morgengrauen des darauf folgenden Sonntags erschossen.«
»Wie ich erfuhr, haben Sie den Fall später untersucht, Mike«, wirft Steel ein.
»Ja. Und der verantwortliche deutsche General wurde von uns an die Wand gestellt«, berichtet Plesco. »Aber die eigentliche Abrechnung mit den Verrätern hatte schon vorher stattgefunden. Dafür hat Jack Panizza gesorgt: Er war mit dem Fallschirm abgesprungen, um die Rechnung glatt zu machen.«
»Mit Schauplatz meinen Sie Tombolo?«
»Und Umgebung«, versetzt Plesco. »Fast neun Monate lang war diese undurchdringliche Pineta Niemandsland zwischen der alliierten und der deutschen Front und dabei der große Umschlagplatz für ganz Italien.«
»Umschlagplatz wofür?« fragt der Chef der ›Task Force‹.
»Für Waffen, Agenten, Schwarzmarktwaren, Nutten, Partisanen, Schmuggler, Versprengte und Deserteure. Was in Neapel geklaut wurde, ging via Tombolo an die Schwarzmärkte von Milano oder Torino, natürlich auch in umgekehrter Richtung.«
»Also auch das Himmler-Geld?«
»Mit Sicherheit«, bestätigt der Italien-Experte. »Tombolo war die Drehscheibe zwischen den Fronten.«
Der Copilot kommt aus dem Cockpit. »Wir sind im Landeanflug auf Reykjavik«, teilt er mit. »Das Wetter wird übrigens besser.«
»Ich hoffe, Sie hatten einen angenehmen Flug«, äfft Steel die übliche Stewardessen-Durchsage vor der Landung nach.
Sie lachen alle drei.
Sieben Minuten später steht der Riesenvogel zitternd auf der Piste, wird aufgetankt, während Steel in Washington James Partaker unter seiner Geheimnummer anruft.
General Lucius D. Clay, der Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Europa, erlässt einen geheimen Tagesbefehl, in dem die CIC-Offiziere Gambler, Dexter und Greenfield bis auf weiteres für eine Sonderaufgabe vom Armeedienst beurlaubt werden, wobei ihnen alle militärischen Einrichtungen weiterhin zur Verfügung stehen.
Bis zum Eintreffen des früheren Majors Steel wird Captain Gambler die kommissarische Leitung der Investigation übertragen. Er hält auch den Kontakt mit Washington aufrecht; Greenfield ist auf den Ausweichtransport des ›Konsuls‹ mit der Druckerei-Einrichtung angesetzt, der von Berlin aus nach Süden abging; Dexter fahndet nach Ehefrauen, Bekannten und Verwandten des dubiosen Herrenreiters Bessermann, alias von Wintersheim. Gleichzeitig soll er die Adressen deutscher Augenzeugen über die Vorgänge in der Pineta von Tombolo ausfindig machen.
»Halt die Luft an, Fred!« meldet sich Dexter aus Bad Tölz, dem Hauptquartier der Dritten US-Armee, die wie alle anderen Einheiten während der Luftbrücke in Alarmbereitschaft stehen: »Ich hab' das Familienleben unseres feinen Konsuls aufgeblättert: Ehefrau Nummer eins, eine Schwedin, hat sich 1936 mit Schlaftabletten vergiftet. Die zweite ist 1940 tödlich verunglückt. Die dritte namens Renate gibt es noch, aber sie ist seit Ende 1944 von ihm geschieden. Sie lebt in einer Villa in Bad Tölz mit Colonel Brown zusammen. Der alternde Narr ist gerade in die Staaten geflogen, um dort seine Scheidung vorzubereiten.«
»Singe, wem Gesang gegeben«, erwidert Gambler.
»Ich hab' dich bei der Lady für heute Vormittag angemeldet.« Dexter nennt ihre Adresse und Telefonnummer. »Sie ist ein Biest, aber nicht ohne Reiz«, setzt er hinzu. »Am besten nimmst du dir noch einen Begleiter mit.«
»Du meinst wohl, ich hätte allein Angst«, entgegnet Gambler und legt lachend auf.
Er startet sofort mit dem Hubschrauber. »Ich bin angemeldet«, begrüßt er eine halbe Stunde später das Hausmädchen. »Captain Gambler.«
»Ja, ich weiß Bescheid. Darf ich vorausgehen?« Sie geleitet den Besucher in den kleinen Salon. Er sieht sich um: konfektionierter Komfort, Luxus von der Stange, das Heim von Bewohnern auf Zeit. An der Wand, neben einer van Gogh-Kopie das vergrößerte Foto des US-Präsidenten mit einer handgeschriebenen Widmung für Colonel Brown, in einer Nische eine wohlbestückte offene
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