Pinien sind stumme Zeugen
antwortet Bruno Panizza sofort.
»Und Sie, Oberleutnant Sollfrei?«
»Referendar Sollfrei«, korrigiert ihn der Untersetzte. »Ich wäre mit von der Partie, aber ich muß sehen, daß ich so rasch wie möglich beruflich vorankomme. Ich möchte bald anständig Geld verdienen und nicht länger in dieser Bruchbude hausen.«
»Geld können Sie auch bei uns bekommen.«
»Ich will es verdienen«, versetzt Sollfrei. »Ich will es mir nicht schenken lassen – und eine Aussage bekommen Sie von mir gratis. Das hab' ich Mr. Gambler schon gesagt.«
Sollfrei nickt dem im Hintergrund stehenden Captain zu.
»Ich schlage Ihnen ein etwas anderes Arrangement vor«, entgegnet Steel. »Deutschland ist momentan kein Ort für internationales Recht. Ein Jahr Studienaufenthalt in Amerika, Universität nach Ihrer Wahl. Alles auf Kosten des US-Steuerzahlers.«
Sollfrei schüttelt verständnislos den Kopf.
»Kein Trick«, schaltet sich Gambler ein, der offensichtlich mit den beiden schon auf gutem Fuß steht. »Was Bob verspricht, hält er, und die Vollmacht dazu hat er.«
»Wie lange würden Sie mich benötigen?«
»Mindestens Tage, höchstens zwei Wochen«, erwidert Steel. »In dieser Zeit erhalten Sie von uns Spesen, in Dollars, und zwar reichlich.«
»Gut«, entschließt sich der frühere Kompaniechef rasch. »Wenn Sie wollen, setze ich mich in den Nachtzug.«
»Sie fliegen beide morgen mit uns«, entscheidet der Sonderbeauftragte und wendet sich wieder an Panizza. »Sie sollten mir jetzt alles über Ihr Zusammentreffen mit Ihrem Vetter Jack erzählen.«
»Wir sind zweimal zusammengekommen«, beginnt Bruno. »Beim ersten Mal in Rom – Anfang Juni 44. Ich lag in einem kleinen Lazarett bei Frascati. Plötzlich rollte die alliierte Offensive auf Rom zu. Wir waren verwundet. Bei meinem Freund Peter trat eine Krise ein: Schußbruch-Infektion. Mit herkömmlichen Mitteln war ihm nicht mehr zu helfen. Peter brauchte Antibiotikum, das es auf deutscher Seite nicht gab. Es war ein Wettlauf mit der Zeit. Ich entschloß mich, meine Schwester Anna Maria in Rom aufzusuchen, sie ist mit einem italienischen Arzt und heutigen Abgeordneten Dr. Aldo Sasselli verheiratet, um ihn um Hilfe zu bitten.«
»In Ihrer deutschen Uniform?«
»Da muß ich Ihnen etwas erklären, Mr. Steel: Wir Panizzas halten eisern zusammen, das gilt auch für den amerikanischen Zweig; bei uns kommt zuerst die Familie und dann lange nichts. Ich wußte nicht, daß mein Schwager aktiv in der Resistenza stand, aber ich hatte es geahnt. Trotzdem war ich sicher, daß er uns hilft. Dazu muß ich Ihnen noch etwas sagen: Als Südtiroler konnte ich für Italien oder für Deutschland optieren – Italien hieß sofortige Einberufung zu einer Armee, die damals mit den Deutschen noch verbündet war. Entschied ich mich für die andere Seite, wurde ich als so genannter ›Volksdeutscher‹ automatisch zur Waffen-SS eingezogen. Es war nur zu umgehen, wenn ich mich freiwillig zu den Fallschirmjägern meldete. Aber glauben Sie ja nicht, Mr. Steel, daß ich auf diesen Haufen auch nur das geringste kommen lasse«, wechselt Bruno Panizza kurz das Thema: »Das waren prächtige Burschen, deswegen wollte ich mich auch nicht in Rom stillschweigend verkrümeln und meine verwundeten Kumpels im Stich lassen. Wir jagten also durch Rom, erreichten die Via Sistina, wo Aldo in einer Parterre-Wohnung seine Praxis unterhält und darüber die Familie wohnt. Meine Kumpels warteten in einem kleinen Cafe gegenüber. Als ich feststellte, daß die Praxis geschlossen war, läutete ich an der Wohnungstür. Als Anna Maria meine Stimme erkannte, öffnete sie schließlich die Tür, und kurz danach kam die Überraschung, die mich von den Beinen riß …«
II.
Italien, das Traumland deutscher Sehnsucht, war an diesem letzten Maitag des Jahres 1944 so überwältigend wie immer, aber über der großartigen Landschaft lag der Pesthauch des Todes. Statt Mandolinen im Mondschein gab es Zunder und Bombenteppiche. Den Belcanto rotzten heißgeschossene Geschützrohre hinaus. Ein Fortissimo rauschte aus den Bombenschächten. Die Trichter lagen so dicht beieinander, daß es von oben aussah, als trüge die Erde eine Gänsehaut.
Wenn sich der stinkende Pulverdampf einmal verzogen hatte, leuchtete der Himmel wieder rundum strahlendblau. Schon am frühen Morgen war die Sonne bereit gewesen, die Menschen zu verwöhnen, doch sie verwöhnte heute nur die Besatzungen der Bombergeschwader auf den alliierten Einsatzhäfen
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