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Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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südlich von Rom. Die ›Fliegenden Festungen‹, die ›Lightnings‹, die ›Mustangs‹ pendelten pausenlos zur Front und zurück, tankten auf, munitionierten sich wieder und jagten fast gefahrlos – eine deutsche Luftabwehr gab es praktisch nicht mehr – Freund und Feind in Keller, Unterstände und Gräben.
    Die Alliierten waren dabei, sich in Italien die Krone aufs Haupt zu setzen: Ihr Angriff auf Rom trug den Namen ›Operation Diadem‹.
    Die Verwundeten im Luftwaffenfeldlazarett nördlich von Frascati – Fallschirmjäger, abgeschossene Piloten, Flaksoldaten und Angehörige der LW-Panzerdivision ›Hermann Göring‹ – waren dem Tod schon zu oft von der Schippe gesprungen, um jetzt vor Angst zu vergehen; aber einige Zivilisten neben ihnen sahen aus, als wären sie schon tot, weil sie das Weiterleben vergessen hatten. Kinder kreischten. Mütter weinten oder beteten. Bei jeder Salve, bei jedem Bombeneinschlag in der Nähe fiel der Verputz von den Wänden, rieselte über den Kragenausschnitt auf die Haut und juckte am ganzen Körper. Die Männer kratzten sich und fluchten, soweit sie dazu noch in der Lage waren.
    »Auch wenn euch die Muffe geht, Sportsfreunde, schifft euch nicht gleich in die Hosen!« ermunterte sie der Fallschirmjäger Bruno Panizza. »Gemessen an Monte Cassino, ist das noch die reinste Erholung. Was meinst du, Oberleutnant?« wandte er sich an den Münchener Peter Sollfrei, der auch schon zwei Schlachten auf dem Berg des heiligen Benedikt überlebt hatte.
    »Na, einen so großen Unterschied kann ich auch wieder nicht feststellen«, erwiderte der Offizier sachlich. »Aber die Scheiße ist, daß wir hier hilflos in der Mausefalle sitzen.«
    Sollfrei trug den linken Arm in der Schlinge. Der Amputation war der junge Offizier nur entgangen, weil sich einer der drei Feldärzte im improvisierten Frontlazarett dagegen ausgesprochen hatte. Es schien gut zu gehen. Wenn der Oberleutnant anständig versorgt wurde, wenn er weiterhin Glück hatte und die Infektion nicht eintrat, blieb ihm die Chance, auch künftig zweiarmig durchs Leben zu gehen.
    »Nicht verzagen, Panizza fragen«, erwiderte der Junge mit dem weichen, verträumten Gesicht, einer der härtesten Soldaten seiner Einheit. Der Zwanzigjährige hatte eine Sonderstellung. Als Südtiroler sprach er fließend Italienisch; das ermöglichte es ihm nicht nur, am laufenden Band glutäugige, temperamentvolle Signorine aufzureißen, Panizza war auch ein großartiger Organisator und gegebenenfalls ein Blindenhund für seine Kumpels.
    Er hatte sich freiwillig zu den Fallschirmjägern gemeldet, was vielleicht doch sehr voreilig gewesen war, aber andernfalls wäre er zu Himmlers Runengarde oder zur italienischen Infanterie eingezogen worden, und das war eigentlich gehupft wie gesprungen, denn für seine Generation war der Heldentod vorprogrammiert. Mit drei Steckschüssen im Gesäß, die ihm herausoperiert worden waren, zwei Streifschüssen am Oberarm und einer Menge Granatsplitter im Rücken war Bruno Panizza längst noch nicht wiederhergestellt, aber unter den verwundeten Fallschirmjägern noch am beweglichsten, und das war wichtig, denn er hatte sich entschlossen, sie und sich aus dem Schlamassel herauszulotsen.
    »Nicht einmal pinkeln kannste mehr«, schimpfte der kleine Kopatsch, der von oben in den Keller kam. »Die Jabos schießen dir glatt den Pimmel weg.«
    »Dann wärste 'n Eunuch, Pikkolo«, schwadronierte Kopetzky, der Gorilla. »Hat auch sein Gutes. Da kannste dir nicht mehr die Gießkanne verbiegen. Tripper, Siph und Schanker, und aus dem Halse stank er«, kalauerte er. Keiner verzog das Gesicht. Kopetzky mußte, um Zuhörer zu finden, wieder zum Thema eins zurück. »Ist denn dein Teufelsfinger eigentlich groß genug für die Zielansprache der Jabos?« fragte er scheinheilig.
    Der kleine Kopatsch ballte die Fäuste, aber an den vierschrötigen Oberfeldwebel von der ›Division Hermann Göring‹, traute er sich nicht heran. Für ein Handgemenge war ohnedies nicht der richtige Zeitpunkt, und den Gorilla fürchtete man allgemein seiner Fäuste und seiner Zunge wegen.
    Einschläge ganz in der Nähe. Die Detonationen rüttelten an dem Gemäuer des Behelfslazaretts bei Frascati. Hier gedeiht ein prächtiger Wein, aber an diesem Tag wuchs die Zahl der Erschlagenen, Zerfetzten und von Bordwaffen Niedergemähten. Kopetzky, ein Panzerfahrer mit zwei Durchschüssen im Oberschenkel, fletschte die Zähne und fuchtelte mit den Fäusten, aber davor

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