Pinien sind stumme Zeugen
Schwester.
»Nein«, erwiderte er. »Ich bin verwundet.«
»Schlimm?«
»Bin schon über dem Berg«, antwortete er.
»Wenn Aldo kommt, wird er dich ansehen.« Sie lächelte schwach. »Am besten ziehst du deine Uniform aus und bleibst gleich ganz hier.«
Bruno erwiderte nichts, doch Anna Maria spürte, daß sein Schweigen keine Zustimmung war.
»Meinst du, daß Deutschland den Krieg noch gewinnt?«
»Nein«, versetzte der Fallschirmjäger. »Das glauben nur noch Narren, Betrunkene und Fanatiker.«
»Na also«, entgegnete Anna Maria erleichtert. »Wir haben Sorgen, Bruno«, fuhr sie ohne Übergang fort. »Aldo soll bei dieser Koch-Bande denunziert worden sein.«
»Warum?«
»Weil er dafür ist, daß unser Land endlich seinen Frieden erhält.«
»Ist das bereits ein Verbrechen?« fragte der Fallschirmjäger.
»Für die Jaccarino-Schergen schon. Du hast keine Ahnung, was das für abgefeimte Schurken sind. Meinst du, daß Rom verteidigt wird?«
»Laut Tagesbefehl ist Rom für die deutsche Heeresgruppe C eine offene Stadt«, entgegnete Bruno.
Anna Maria stellte das Radio etwas lauter; BBC-London meldete in italienischer Sprache schwere Kämpfe im Vorgelände Roms auf der Nationalstraße 6. Die nächste Nachricht lautete, daß die Deutschen bereits dabei seien, die Funktürme des Senders an der Straße von Pomezia-Albano zu sprengen. Am Ende der Durchsage wurde ein Aufruf des alliierten Oberkommandierenden Alexander verlesen:
›Bürger Roms, es ist jetzt nicht die Zeit für Demonstrationen. Tut, was wir euch sagen, und fahrt in eurem normalen Alltag fort. Rom gehört euch! Eure Aufgabe ist es, die Stadt zu retten!‹ Zum Schluß fügte der General hinzu: ›Unsere ist es, den Feind zu vernichten.‹
»Wie lange werden die Amerikaner brauchen, bis sie hier einmarschieren?«
»Wenn sie Rom nehmen wollen, sind sie in einem Tag da, spätestens in zwei.«
»Wir haben nämlich«, erklärte die Arztgattin mit einem Gesicht, als ängstige sie sich vor dem Freischwimmen, »auch noch einen nicht ganz – ganz harmlosen Gast in unserer Wohnung.«
»Wen?« fragte Bruno verständnislos.
»Komm!« erwiderte die Schwester und öffnete die Tür des Nebenzimmers.
Bruno hatte den drahtigen Burschen, der ihm interessiert zunickte, noch nie gesehen, trotzdem kam er ihm bekannt vor.
»Darf ich vorstellen«, sagte Anna Maria, »Bruno, das ist dein amerikanischer Vetter Jack. Jack, das ist Bruno. Jetzt«, setzte sie burschikos hinzu, »könnt ihr euch umarmen oder erschießen.«
Einen Moment lang standen sich die beiden mit klammen Armen gegenüber. Dann fanden sie eine dritte Möglichkeit: Die Erstarrung löste sich – Bruno und Jack klopften sich lachend auf die Schultern. Auch wenn sie auf verschiedenen Seiten standen, der Familiensinn zählte höher.
»Wie lange bist du schon in Rom, Jack?« Bruno faßte sich als erster.
»Drei Tage«, antwortete der US-Vetter. »Zwei Tage zuviel, denn ich bringe Anna Maria und Aldo nur zusätzlich in Gefahr.«
»Dann wird's für dich also höchste Zeit, daß General Clark hier einmarschiert.«
»Und für dich, daß du hier verschwindest, Bruno«, erwiderte der OSS-Agent. »Oder diese Scheißuniform ausziehst. Anna Maria hat recht.«
»Das würde ich auch tun«, erwiderte Bruno, »aber ich bin nicht allein. Ich hab' da drei Kumpels bei mir, die kampfunfähig sind und sich in Rom nicht auskennen. Fallschirmjäger, zum x-ten Mal verwundet. Ich kann sie nicht im Stich lassen.« Er blickte Jack in die Augen. »Sie haben das auch nie mit mir getan.«
»Meinst du, man kann sich in dieser Zeit Sentimentalitäten leisten?«
»Das siehst du falsch«, konterte Bruno. »Das sind ganz prima Kerle. Die schlagen sich nicht für den Duce oder die Nazis, denen ist ihr eigener Haufen das wichtigste auf Erden, ihre Privilegien und …«
»Die Arroganz der Elite«, sagte Dr. Aldo Sasselli, der lautlos die Wohnung betreten und den Schwager an der Stimme erkannt hatte. »Wirklich schrecklich – aber sei uns willkommen, Bruno!« begrüßte der Dunkelhaarige mit den vorzeitig ergrauten Schläfen seinen zweiten – nicht ungefährlichen – Gast. »Dein Funkspruch hat die fünfte US-Armee erreicht«, raunte er dann dem Amerikaner zu. »Die Carabinieri sind fast geschlossen zu uns übergelaufen – wir werden gleich abgeholt.«
Anna Maria entkorkte eine Falsche Wein mit dem Etikett der berühmten Domäne Panizza, die sie eigentlich für die Befreiung Roms verwahrt hatte. Sie schenkte das
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