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Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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aber der jüngste Panizza kam ihm zuvor.
    Die angebliche Partisanen-Riege ›Forza e Patria‹ hatte für den Trupp II des OSS-Unternehmens ›Blow up‹ in Mirigliano eine ähnliche Falle angelegt, wie sie der ersten Gruppe zum Verhängnis geworden war. Als hier das gleißende Scheinwerferlicht die Dunkelheit aufriss, verlief der Überfall anders, als es sich die Bande vorgestellt hatte. Sowie die Italiener aus der Deckung hervorgestürzt waren und die OSS-Agenten umringen, hatte Charly Poletto außerhalb der Lichtkegel seine Maschinenpistole hochgerissen und den ersten Feuerstoß gezielt hinausgejagt und einige Angreifer erledigt.
    Links von ihm feuerte jetzt auch Herbie Miller auf die Verräter. Die überrumpelten OSS-Agenten hatten eine Chance, aber, geblendet vom Licht, standen sie den Angreifern wie blind gegenüber, wurden binnen Sekunden umzingelt, niedergeschlagen und entwaffnet.
    Poletto und Miller konnten ihnen nicht mehr helfen. Sie mußten jetzt selbst darum kämpfen, das dilettantische Kommando-Unternehmen zu überleben.
    Sie stellten das Feuer ein und hasteten, verfolgt von den herumirrenden Lichtkegeln, in die Nacht. Sie wurden erfasst, beschossen – und entkamen wieder. Ein Zypressenhain gab ihnen Deckung. Die beiden verfielen nicht in kopflose Flucht, sondern traten einen geordneten Rückzug in Richtung Küste an: Einer sprang hoch, der andere hielt aus der Deckung heraus die Italiener in Schach.
    Nun hatten sie die Scheinwerfer nicht mehr zu fürchten, und mit den Verfolgten würden die beiden Agenten fertig werden. Es waren vier. Einen erwischte Poletto, den zweiten streckte der frühere FBI-Mann Miller nieder; die letzten gaben auf. Die beiden Überlebenden hasteten zielstrebig weiter; sie mußten damit rechnen, daß mit Tagesanbruch eine Treibjagd auf sie angesetzt würde.
    Sie legten eine Verschnaufpause ein und nutzten sie, um die gefährliche US-Uniform loszuwerden. Sie wickelten ihre Maschinenpistolen in das olivgrüne Tuch und versteckten es, so gut es ging. Als Überlebensausrüstung hatten sie noch eine Handfeuerwaffe, Munition, einen gefälschten Ausweis, Trockenproviant, Zigaretten, ein Taschenmesser und Dollars in kleinen Scheinen.
    »Wir trennen uns besser, Herbie«, sagte Poletto. »So besteht eine Chance, daß wenigstens einer von uns durchkommt.«
    »Sei nicht so pessimistisch, Charly!« erwiderte Miller. »Wir schaffen es beide. Good luck.«
    Er war nicht so trainiert wie sein von den Engländern gedrillter Begleiter. Bei einem Gewaltmarsch müßte er ohnedies hinter seinem Gefährten zurückhängen, und er wollte nicht, daß Charly das Fluchttempo verlangsamen mußte. Jeder von beiden war jetzt allein auf sich gestellt. Die Entscheidung: links oder rechts konnte Leben oder Tod bedeuten.
    Der frühere FBI-Agent setzte alles auf eine Karte und versuchte, Unterschlupf in der nächsten Kleinstadt, Vecchiano, zu finden, während Poletto in südwestlicher Richtung auf die Arno-Mündung zulief.
    Herbie Miller hatte die ersten Häuser erreicht.
    Nichts an ihm war auffällig; trotzdem wurde er von den Passanten kritisch gemustert. Kleinstädter sind immer neugierig, aber der Italo-Amerikaner mußte fürchten, daß man ihn mit der Schießerei in der vergangenen Nacht in Verbindung brachte.
    Er blieb an einer Baustelle stehen, um seine Überlegungen zu ordnen.
    Ein Ziegelträger mit nacktem Oberkörper sprach ihn an: »Suchst du Arbeit, Compagno?«
    »Unter Umständen«, erwiderte Miller. »Stellt ihr denn Leute ein?«
    »Wenn sie dich schnappen«, sagte er, »dann schuftest du schwerbewacht für die Deutschen an ihrem neuen Verteidigungswall von Viareggio bis zur Adria, fünfzigtausend zwangsverpflichtete Italiener haben sie für die ›Gotenstellung‹ schon zusammengetrieben.«
    »Haben denn die letzten Goten nicht am Vesuv gekämpft?« fragte der Flüchtige.
    »Die letzten Goten kämpfen bald vor ihrer eigenen Haustür«, grinste der Bauarbeiter, »und zwar auf dem Zahnfleisch.«
    »Zum Teufel mit den Barbaren!« erwiderte Herbie Miller.
    Der Italiener betrachtete den OSS-Agenten aufmerksam. »An deiner Stelle würde ich hier nicht Spazierengehen, Paisano«, riet er ihm. Daß er ihn als ›Landsmann‹ bezeichnete, konnte nur bedeuten, daß er aus Millers Worten heraushörte, daß er Italo-Amerikaner war. Es waren nur Nuancen: Zum Beispiel sprachen die Amerikaner ›Signorina‹ wie ›Segnorina‹ aus, und ein Ausdruck, der dem späteren Begriff der deutschen ›Fräuleins‹

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