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Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Soldaten von zweifelhaftem Kampfwert. Ähnliche Erfahrungen machte die Waffen-SS mit einer Grenadierbrigade italienischer Freiwilliger. Die Verzweiflungswaffe ging nach hinten los, und Himmlers nordische Südländereinheit mußte schleunigst wieder aufgelöst werden.
    »Vielleicht wäre es besser, wir würden Charly Poletto nicht finden«, sagte während des Flugs der sonst so unbekümmerte Cassidy.
    »Warum?« fragte Panizza.
    »Ich dürfte es dir gar nicht sagen, aber es ist eine gewaltige Scheiße im Gange«, erklärte der Begleiter. »Charly steht auch auf der Liste der Agenten, die nach Hause geschickt werden sollen.«
    »Wieso, sind die endgültig übergeschnappt?« fragte Panizza zornig. »Was haben sie gegen Charly?«
    »Er hat Verwandte in Italien.«
    »Hab' ich doch auch – und auch du, und Herbie, und viele andere …«
    »Ja, Jack, aber in Norditalien, nicht in Sizilien«, erklärte Cassidy. »Einige unserer Leute haben sich damals nach der Landung auf der Insel tatsächlich zu sehr mit der Mafia eingelassen. Jetzt kam ein Geheimbefehl aus Washington, daß alle Dagos, die mit dem Geheimbund irgendwie in Berührung gekommen sind oder deren Verwandte Mafiosi sein könnten, auf einen anderen Kriegsschauplatz zu versetzen sind.«
    »Das ist doch Wahnsinn«, erwiderte Panizza. »Charly ist einer unserer besten Leute, und so viele haben wir ja wohl nicht.«
    »Wild Bill wehrt sich auch mit allen Mitteln gegen diesen Schwachsinn.« Cassidy hatte den Spitznamen General William Donovans benutzt. »Aber du weißt ja, wir haben sowieso ständig Trouble mit diesen Primadonnen von Militärs. Die betroffenen Offiziere wurden bereits zurückgepfiffen. Bei unserem Verein hat das Pentagon ja wenig mitzureden, deshalb bestürmen die Generäle jetzt den US-Präsidenten, nach der Säuberung in ihren Reihen nun auch bei uns Amputationen vorzunehmen.«
    »Aber es liegt doch nicht das geringste gegen Charly vor!«
    »Eigentlich nicht!«, antwortete Cassidy.
    »Und uneigentlich?«
    »Er hat – damals – einen entfernten Verwandten zum stellvertretenden Bürgermeister von Tràpani gemacht.«
    »Und?«
    »Dieser weitläufige Verwandte und seine Leute stehen im Verdacht, Mafiosi zu sein, die ein Army-Depot ausgeplündert haben.«
    »Aber damit hätte doch Charly nichts zu tun gehabt …«
    »Sicher, aber einen Sündenbock brauchen sie immer«, erwiderte Cassidy.
    Sie näherten sich dem Absprunggebiet bei Pisa. Der Copilot, gleichzeitig Absetzer, gab ihnen ein Zeichen, sich bereitzuhalten. Die Maschine ging mit der Höhe noch einmal herunter, kreiste nur kurz über einer von Waldstücken umgebenen Wiese. »Jetzt«, sagte er. »Good luck.« Panizza sprang als erster; Sekunden später folgte ihm Gus Cassidy. Sie waren beide trainierte Springer und kamen glatt auf. Während sie sich den Gurt lösten, schlug neben ihnen der Leichtmetallbehälter mit den Waffen auf. Zehn Minuten später hatten sie sowohl die Fallschirme wie die Ausrüstung vergraben.
    Schon vor Morgengrauen erreichten Panizza und Cassidy die Stadt mit dem schiefen Turm. Sie wuschen ihre geschwärzten Gesichter. Sie sahen beide wie Italiener aus, und wenn der Zivilbevölkerung ihr vorsichtiges Verhalten auffiele, wäre es noch lange kein Hinweis auf ihr Vorhaben, denn Männer ihres Alters zeigten sich wenig in der Öffentlichkeit, um nicht für Schanzarbeiten an der Gotenlinie zwangsverpflichtet oder zur Mussolini-Miliz eingezogen zu werden.
    Jack Panizza wahrte die seinem Metier angemessene Umsicht. Die beiden erreichten auf Umwegen die Piazza Santo Stefano dei Cavalieri. Sie betraten die gleichnamige Kirche. Der Mann im Untergrund wollte sich überzeugen, daß es Padre Sebastiano noch gab. Es war zwar keine Garantie, daß Pluto und seine Männer inzwischen nicht aufgeflogen waren, aber doch ein Hinweis.
    Am Beichtstuhl hing das Schild mit dem Namen des Priesters, und links und rechts warteten wieder Menschen, um ihre kleinen Sünden zu offenbaren. Todsünden begingen sie nicht, und die solche begingen, Generäle und Politiker, die Millionen von Menschen in den Tod hetzten, brauchten sie nicht zu bekennen, denn sie erhielten für ihre blutigen Siege und für ihre als Heldentum ausgegebenen Niederlagen Auszeichnungen, Beförderungen und materielle Güter. Ihre Sünden gegen das Leben ihrer Mitmenschen wurden nicht in aller Stille gebeichtet, sondern von der Kriegspropaganda im Fortissimo gefeiert.
    Genauso vorsichtig, wie sie sich der Kirche genähert hatten,

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