Pinien sind stumme Zeugen
suchten der Mann im Untergrund und sein Helfer die Wohnung der Signora Taloni auf, die ihn versteckt hatte. Panizza wollte die alte Frau nicht erschrecken und legte sich auf die Lauer. Gus Cassidy sicherte auf der anderen Seite – dabei kam es zu einer lebensgefährlichen Burleske: Pluto, der Mann mit den Igelhaaren – er tauchte nach einer halben Stunde auf – erkannte, daß die Wohnung seiner Verwandten von Cassidy beschattet wurde, und belauerte nun seinerseits den Amerikaner.
Jack Panizza verfolgte mit Genugtuung, daß sie es beide perfekt machten.
»No porchi oggi?« rief er Pluto an. »Der Mann gehört zu mir«, setzte er dann leise hinzu.
Der Italiener nickte unmerklich und betrat das Haus.
Die unerwarteten Besucher folgten ihm, einzeln, in Abständen.
»Ritornato?« sagte Pluto in Signora Talonis Wohnung.
»Ja, zurück«, erwiderte der OSS-Agent. »Und ich bin nicht mit leeren Händen aus Rom gekommen. Ich möchte mein Versprechen einlösen.«
»Wir haben uns inzwischen aus dem Lager der Miliz bedient«, erwiderte der Fluchthelfer. »Aber das sind vorsintflutliche Gewehre, zum Teil noch aus dem Ersten Weltkrieg.«
»Von uns kriegst du die modernsten Handfeuerwaffen.«
»Wann?« fragte Pluto.
»Sofort«, versetzte der Amerikaner. »Ich hab' sie mitgebracht. Wie viele seid ihr?«
»Dreißig oder fünfzig. Wenn's nötig sein sollte, noch mehr.«
»Alles zuverlässige Männer?«
»Ja«, versicherte Pluto. »Sonst war' ich ja nicht mehr am Leben.«
Panizzas Augen lichterten; sein italienischer Helfer hatte die gleichen Worte gebraucht wie er selbst bei dem Gespräch in Rom mit den OSS-Leuten.
»Ich möchte Molosso erledigen«, erklärte er.
»Das möchte ich auch«, versetzte Pluto. Sein Gesicht wurde süchtig.
»Dann werde ich dir sagen, wie wir das gemeinsam handhaben werden: Nimm deine zuverlässigsten Leute, vier oder fünf genügen, weniger Männer fallen weniger auf, und …«
Jack Panizza entwickelte alle Einzelheiten eines Plans, für den sich sein Fluchthelfer und Anführer einer Widerstandsgruppe zunehmend erwärmte. »Va bene!« rief er. »Benissime!« Er konnte es nicht erwarten, loszulegen.
Der salzige Geruch des Meeres vermischte sich mit dem Duft der Pinien. Ein blasser Mond versilberte die toskanische Landschaft. Eine Nacht für Liebespaare. Ganz andere Probleme hatten allerdings die vier Männer am Rand des kleinen Zypressenhains, die morgens beim Anblick der drei ›Sherman‹-Panzer, noch vor dem Eintreffen der US-Infanteristen, aus dem
Behelfslazarett bei Terriciola geflüchtet waren – als die Bediensteten des Schweizer Barons bereits ungehindert weiße Tücher aus den Fenstern hängten.
Die Alliierten bewegten sich nur auf Straßen und Wegen, gewohnt, zu fahren und keinen Schritt zu laufen. Das war für Sollfrei, Kopetzky, Panizza und Kopatsch eine Chance. Wenn sie querfeldein losliefen und auf Tiefflieger achteten, konnten sie noch einmal entkommen. Sie hielten sich von den Straßen und Dörfern fern, hetzten in Richtung Livorno, den Gefechtslärm dicht hinter sich. Ihr Vorsprung war knapp. Von Deckung zu Deckung wuchtend, hatten sie den ganzen Tag gebraucht, um vier, fünf Kilometer zu schaffen.
Als es Nacht wurde, waren sie zunächst einmal aus dem Schneider. Sie hauten sich in dem kleinen Zypressenhain in Deckung. Ihre Leistungskraft war doch noch erheblich angeschlagen, jedenfalls rechneten ihnen die Strapazen des Tages ihre Verwundungen vor. In diesem Zustand sahen sie kaum eine Chance, den Arno noch zu erreichen.
Nach kurzer Rast entschieden sich die vier, dem Tip des Lazarett-Spießes zu folgen und in der Pineta von Tombolo den Krieg zu überstehen.
»Und wovon wollen wir da eigentlich leben?« fragte der kleine Kopatsch skeptisch.
»Von Heuschrecken und wildem Honig«, erwiderte der Gorilla. »Die Diät von Johannes dem Täufer.«
»Schlimmer als Kunsthonig wird's auch nicht sein«, versicherte Bruno.
Aus der Deckung heraus starrten sie in die Nacht, wo der Vormarsch der Alliierten weiterging: Der Tross einer farbigen US-Division, ein pausenloser Zug von Sattelschleppern, Tankwagen, Feldküchen, Munitionslastern und Versorgungsfahrzeugen aller Art schob sich langsam wie ein Lindwurm in Richtung Norden.
»Mensch«, sagte der Oberleutnant. »Früher, in unseren Glanzzeiten, wären wir wie die Wildsau dazwischengefahren und hätten von der Beute ein Vierteljahr lang gelebt wie die Fürsten.«
»Früher war eben alles ganz anders«, versetzte der
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