Pink Christmas (German Edition)
Gewissheit habe. Du, Leon, du hast Kraft.“ Opa fasst mich an der Schulter und rüttelt an mir. „Ich weiß nicht, ob das alles richtig ist, was du gesagt hast. Aber ich weiß, dass es richtig ist, dass du was gesagt hast.“
Ich will tausend Sachen sagen, aber ich bin wie gelähmt.
„Was ist? Sollen wir langsam mal wieder hoch?“, fragt Opa schließlich.
„Ich ... Warte!“ Ich schlucke. „Willst – willst du mit mir über – also, reden ?“
„Ganz ehrlich, ich mag nicht reden, ich weiß nicht, ob ich das kann. Aber wenn, dann mit dir. Vielleicht sollte ich das sogar. Aber nicht heute und morgen auch nicht.“
„Ist gut“, sage ich.
Bevor Opa etwas erwidern kann, poltert es im Hausflur. Es klirrt und scheppert. Und dann wird die Haustür aufgerissen und meine Mutter steht wie eine Furie da, ein rundes Plastikteil unter dem Arm.
„Platz da!“, keucht sie und zerrt mit einem Ruck den Weihnachtsbaum am Ständer hinter sich her nach draußen.
„Mama!“, platzt es überrascht aus mir heraus und Opa lacht.
„Dieses Weihnachten ist beschissen !“, schimpft Mama.
„Weihnachten war schon immer beschissen“, sagt Opa.
Ich sage nichts, weil schon alles gesagt ist.
Wir sehen alle ein wenig mitgenommen aus, als wir endlich am Tisch sitzen und uns gegenseitig das Essen reichen. Oliver zieht ganz besonders ein Gesicht, weil er das Treppenhaus fegen musste. Da ist meine Mutter ganz rigoros. Soll ja niemand denken, dass hier die Hottentotten leben. Aber der ermordete Christbaum vor der Tür ist ihr egal.
„Moment!“, sagt Dennis mit einem breiten Grinsen, bevor wir essen. „Kein Tischgebet?“
Meine Mutter guckt ihn ernst an und antwortet: „Dennis, halt endlich mal die Fresse!“
Ich habe natürlich schon einen Schluck Wein im Mund und verschlucke mich. Hustend und lachend drücke ich mir meine Serviette vors Gesicht. Erst jetzt lachen die anderen mit. Nur mir ist gar nicht mehr zum Lachen, weil mir der Rotwein in der Nase brennt.
„Brauchst du ärztlichen Beistand, Junge?“, fragt Opa und alle lachen erneut.
Als ich mich wieder erholt habe, sitzen wir dann doch noch einigermaßen feierlich da.
„Wenn wir schon nicht beten, dann können wir zumindest auf was trinken, oder?“, sagt Dennis und hebt sein Weinglas an. „Ich trinke auf meinen Humor.“
Einen Augenblick ist es still, aber dann hebt Mama ihr Glas. „Auf meinen Mann, meinen Vater und meine Söhne“, sagt sie und schaut bei Söhne auch Henri an.
„Auf den Mut zur Wahrheit“, schließt sich Opa an.
„Auf das Leben“, sagt Oliver.
„Auf die Familie“, sage ich.
Henri schließt mit: „Auf die Liebe.“
Dann dürfen wir endlich essen. Erst jetzt merke ich, dass mich das ganze Chaos unglaublich hungrig gemacht hat. Aber offenbar bin ich der einzige, der so richtig zuschlägt. Mama und Henri jedenfalls haben immer genug Platz im Mund, dass sie sich übers Kochen unterhalten können. Und Oliver stellt Dennis schon wieder Computerfragen. Na, wenigstens Dennis antwortet so sparsam, dass ich nicht allein als Fresssack hervorsteche. Opa isst ganz gemütlich und schweigt vor sich hin. Was ihm wohl durch den Kopf geht? Eigentlich will ich gar nicht daran denken, nicht mehr heute Abend. Als Opa mir mit einem Lächeln zunickt, schaffe ich es auch, die unangenehmen Gedanken loszulassen.
Nach dem Essen sitzen wir noch eine Weile da. Aber mir tut natürlich der Bauch weh. „Ich glaub, ich muss mich hinlegen“, ächze ich.
„Du kannst dein Bett beziehen“, sagt Mama. „Henri, bleibt ihr über Nacht? Leons Bett ist nicht gerade breit ...“
„Die liegen bestimmt mehr über- als nebeneinander“, frotzelt Dennis.
„Nicht heute Nacht“, sage ich und erhebe mich schwerfällig.
„Was nicht heute Nacht?“, hakt Mama nach. „Hier schlafen oder ...“
„Mutter!“, ruft Dennis mit gespielter Empörung.
Ich sehe Henri fragend an. Eigentlich war es mein Wunsch, dass wir auf jeden Fall heute noch nach Hause fahren.
„Ich frage, weil Henri schon zwei Wein hatte und du drei“, erklärt Mama.
„Ach so, Alkoholkontrolle, darum geht’s.“
„Nein, es geht um den Weinbrand, den ich noch mit euch trinken will, während wir versuchen, doch noch einigermaßen friedlich beieinander zu sitzen.“
„Ich denke, dass wir uns mit dem Bett arrangieren können“, bestimmt Henri und nickt mir zu.
„Und ich?“, fragt Dennis.
„Du kriegst den Platz am Ofen.“ Mama lacht.
„Toll, das hat man also davon, wenn man nicht schwul
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