Pink Christmas (German Edition)
niemals ganz verklingen würde, doch erträglicher wurde – mit der Hilfe des anderen. Jakub hatte das Gefühl, sich auf seinen Vater stützen zu können und das gleiche schien auch Jakubs Vater zu fühlen. Baran stand im Türrahmen der Küche und weinte stille Tränen darüber, dass Jakub die Trauer zuließ, sie mit seinem Vater teilte und nun lernen konnte, mit seinem Verlust umzugehen.
Bücher von Thomas Ays:
ISBN 978-3-86361-082-1
ISBN 978-3-940818-40-9
M. Hart
Von Freundschaft und Liebe
Am 20. Dezember klappte unser Literaturprofessor das Lehrbuch zu, wünschte uns ein frohes Weihnachtsfest und machte sich gleich darauf aus dem Staub. Kaum dass er verschwunden war, brach ein studententypisches Gemurmel aus: Die Mädchen begannen zu jauchzen und einander zu versprechen, sich während der vorlesungsfreien Zeit anzurufen, während die Jungs gelassen über die besten Locations zum Jahreswechsel plauderten. Doch egal, ob Mann oder Frau – in den Augen aller schimmerte Vorfreude, und man sah, dass sich jeder von ihnen auf die gemeinsame Zeit mit der Familie freute. Ja, plötzlich waren sie alle wie ausgewechselt. Alle, außer mir.
„Hey, Mann“, riss mich Julian aus den Gedanken und klopfte dabei freundschaftlich auf meine Schulter. „Alles klar?“
Julian war mein bester Freund. Ich hatte ihn vor zwei Jahren zum Beginn meines ersten Semesters in der für mich fremden Stadt kennengelernt.
Nüchtern sah ich zu ihm auf. Seine braunen Augen musterten mich, seine Lippen formten ein verschmitztes Grinsen und auf seinen Wangen bildeten sich unübersehbare Vertiefungen. Ich liebte diese Grübchen und sein Lächeln, ich liebte seinen Blick und die Art, wie er mich berührte. Um ehrlich zu sein, liebte ich alles an ihm, und das, seit wir uns das erste Mal begegnet waren. Natürlich behielt ich das für mich, verschwieg meine Gedanken und verdrängte meine Gefühle. Alles andere hätte Julian längst in die Flucht geschlagen. Da war ich mir sicher.
„Ja, ja …“, murmelte ich, während ich die losen Zettel vor mir auf dem Tisch zusammenschob und anschließend in meiner Tasche verschwinden ließ. „Es ist nur …“
„Es ist wegen Weihnachten, was?“, unterbrach Julian mich.
Ich zog den Reißverschluss meiner Tasche zu und seufzte kaum hörbar. Julian kannte mich besser als jeder andere. Er kannte meine Geschichte, kannte meine Vergangenheit und wusste, was mir während der freien Zeit bevorstehen würde.
Mein Schweigen war ihm Antwort genug. Wieder legte er seine Hand auf meine Schulter und kam einen Schritt näher. Ich erstarrte, krallte meine Finger in den Stoff meiner Tasche und wagte keine Bewegung. Wie versteinert blieb ich sitzen, während Julian sich zu mir herunterbeugte. Sein süß-herber Duft umhüllte mich wie eine unsichtbare Wolke. Ich musste mich beherrschen und kämpfte mit aller Kraft gegen das intensive Verlangen, meine Augen zu schließen. Seine Finger rutschten von meiner Schulter, streiften meinen Arm und kamen auf meiner Hand zum Halt. Mein Herz machte einen Sprung. Und so verlor ich den inneren Kampf und schloss die Augen. Doch kaum dass ich das getan hatte, klopfte Julians Hand zweimal freundschaftlich auf meinen Handrücken – fast, als würde er mit dieser Geste die kurzzeitig stattgefundene Intimität zwischen uns auslöschen wollen. Ich öffnete die Augen und entkrampfte meine Hände. Meine Finger hinterließen tiefe Falten in dem Stoff meiner Tasche.
„Das wird schon, Alter!“, war Julians, dieses Mal distanzierter Versuch, mich aufzumuntern. Ich erwiderte nichts, saß lediglich da und versuchte Ordnung in mein Gefühlschaos zu bringen. Im Augenwinkel sah ich, wie Julian sich seine Tasche über die Schulter streifte. Ich wollte das unangenehme Schweigen brechen, etwas sagen, brachte aber keinen einzigen Laut hervor. Gleichzeitig kroch Wut in mir empor. Wut und Verzweiflung. Julians Verhalten ärgerte mich. Es machte mich wahnsinnig. Er machte mich wahnsinnig. Mit allem, was er tat. Manchmal glaubte ich, dass er insgeheim über meine Gefühle Bescheid wusste und es genoss, mit ihnen zu spielen. Außerdem erwartete ich von meinem besten Freund etwas mehr Verständnis, als mir nur mit einer belanglosen Floskel alles Gute zu wünschen.
Der Vorlesungsraum war mittlerweile leer. Die Luft war stickig. Auf ein paar Stühlen lag Müll, auf einem Tisch eine abgepulte Orangenschale, deren Aroma penetrant zu mir heraufzog.
Ich spürte Julians erwartungsvollen Blick und richtete
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