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Pink Hotel

Pink Hotel

Titel: Pink Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Stothard
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hatten, gründeten sie eine Motorradfirma. Das
Interesse war groß, denn seine Bikes sind echt schöne Maschinen, und sie war
eine von denen, die mit ihrem Charme ein Schwein in einen Metzgerladen locken
könnte, wenn sie’s drauf anlegte. Ein Jahr später meldete er Insolvenz an, und
sie hatten nur drei Bikes fertig…«
    »Also hat er das Motorrad gebaut, auf
dem Lily gestorben ist?«
    »Schätze schon. Ist doch zum Heulen, oder?«, sagte sie trockenen
Auges. Sie blinzelte ein paarmal und wirkte auf einmal erschöpft. »Weiß auch
nicht. Sie liebte das Risiko. Es war nicht seine Schuld. Seine Motorräder waren
wunderschön.«
    »Warum hast du ihnen kürzlich Geld geliehen?«, fragte ich.
    [172]  »Nachschub«, sagte Julie und kicherte unkontrolliert. »Weil ich
bescheuert bin.«
    »Nachschub für was?«
    »Sie haben einige der besten Partys in L.A. organisiert. Alle wollten dabei sein«, sagte sie mit verklärtem Lächeln. »Wie
die Totenwache, nur besser. Gute Partys. Alle standen drauf.«
    »Also Alkohol und Drogen und all so was?«
    »So was, ja«, sagte sie.
    »Hat er Lily geliebt?«
    »Alle haben Lily geliebt.«
    »Und du weißt wirklich nicht, wo er sein könnte?«, fragte ich.
    »Sein Handy funktioniert nicht«, erwiderte sie.
    »Ich weiß«, sagte ich. »Er sucht mich, und er hat mir eine Nummer
hinterlassen, aber die funktioniert nicht. Erst macht er so einen Aufstand,
dass ich ihn unbedingt anrufen soll, und dann geht sein Handy nicht mal.«
    »Der schuldet Leuten Geld, deshalb funktioniert sein Handy nicht«,
sagte Julie. »Wenn er will, fällt ihm garantiert eine andere Möglichkeit ein,
wie er an dich rankommt. Normalerweise bekommt er, was er will.« Ich sah Julie
zu, wie sie nervös mit ihren Fingern spielte. Ihre Lippen waren trocken, und um
die spitze kleine Nase herum schälte sich die Haut. Sie goss Wodka über ein
paar Eiswürfel und nippte langsam daran. Von uns unbemerkt, hatte sich die
Kneipe inzwischen gefüllt: jede Menge Hipster mit Trucker-Mützen und szenigen
Hornbrillen. Ich blieb schließlich noch ein paar Stunden und beobachtete, wie
sich Julie hinter der Theke zuschüttete. [173]  Die Gäste kannten sie alle und
schienen ihre unbeständige Gesellschaft zu mögen. Ungefähr einmal stündlich
verschwand sie und wirkte frischer, wenn sie wiederkam, aber als es auf die
Schließzeit zuging, war sie leichenblass, mit blauen Lippen und blutunterlaufenen
Augen. Sie bewegte sich, als schleppte sie sich durch Matsch, und lächelte mir
hin und wieder durch das drückendheiße Lokal zu. Die schlappen
Deckenventilatoren konnten die Raumtemperatur nicht senken, aber den Leuten
schien das Schwitzen nichts auszumachen. Auf T-Shirt-Rücken und zwischen den
Brüsten der Frauen breiteten sich Schweißdreiecke aus. Mascara schmolz zu
dunklen Rinnsalen, und Lippenstift verflüchtigte sich gleich ganz. Niemand
außer Julie redete mit mir, aber eine Zeitlang vertrieb ich mir die Zeit damit,
Schauspieler, Musikjournalisten und Kameramänner zu belauschen. In der
Menschenmenge hielt ich Ausschau nach Richard oder dem Mann mit dem
Nasenpiercing, doch sie ließen sich weder in Julie’s Place noch während meiner
Busfahrt zurück zum Serena Hostel blicken. Ich vergewisserte mich, dass der
grüne Volvo auch wirklich nirgendwo in der Nähe parkte, ehe ich in Richtung
Hosteltür ging, und auch dort sah ich mich noch einmal gründlich um. Es war
schon spät, als ich ankam, Vanessa und Tony schliefen bestimmt schon eine
Weile.
    Die Frau, die im Serena oft die Nachtschicht übernahm, war eine
Australierin namens Miranda. Während sie die ganze Zeit am Computer spielte,
trank sie Unmengen Cola light, und die Dosenschlange auf der Theke wurde immer
länger.
    [174]  »He, Unruhestifterin«, begrüßte sie mich schwungvoll. »Alles
okay?«
    »Sind Tony und Vanessa sauer auf mich, weil es Probleme gab?«,
fragte ich. »Glaubst du, sie wollen mich loswerden?«
    »Die führen ein Hostel in West Hollywood. Sie sind Ärger gewöhnt.
Warte, jemand hat dir eine Nachricht hinterlassen«, sagte sie. »Ich weiß nicht,
ob es irgendwas mit dem anderen zu tun hat.« Sie reichte mir einen Zettel, den
ich beklommen musterte. »Jedenfalls war es nicht der hässliche Spanier«, sagte
sie. »Sondern so ’n großer Typ mit komischen Klamotten.«
    Ich lächelte Miranda an und stapfte nach oben, wo zwar fast alle
Betten von einer japanischen Reisegruppe belegt waren, aber Vanessa darauf
geachtet hatte, dass meins frei geblieben war.

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