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Pink Hotel

Pink Hotel

Titel: Pink Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Stothard
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einiger Zeit in einen Tanzkurs geschleppt, ob du’s glaubst oder nicht.
Jetzt hat sie die Leute hierher eingeladen, und ich muss rauskriegen, wie man
diese Scheißdrinks macht, die sie haben will.«
    »Aha«, sagte ich. Er stellte im Hintergrund einen Mixer an, und nun
hörte ich überhaupt nicht mehr, was er sagte. Ich glaube, er grummelte etwas
über die Leute, die zu Besuch waren, aber ich verstand kein Wort. Der Mixer
musste neu sein. Es war schon schwierig genug, in unserer Küche eine Tasse mit
Henkel zu finden, geschweige denn einen Mixer. »Und dann ist dieser Tom über
seine eigenen Schnürsenkel gestolpert und in der berüchtigten Bowleschüssel
gelandet!«, beendete Dad seine Geschichte, deren Anfang mir entgangen war.
    »Das ist toll, Dad«, sagte ich. »Cool.«
    »Wir sehen dich also bald. In deinem Zimmer ist es [311]  ein bisschen
chaotisch. Daphne hat Frühjahrsputz gemacht, ein paar Sachen hin und her
geräumt. Und dann noch der alte Kühlschrank aus dem Laden, weißt du? Der hat
vor ’ner Weile den Geist aufgegeben, aber wir müssen was bezahlen, um dieses
Zeug loszuwerden. Dazu sind wir noch nicht gekommen.«
    »Das Ding ist riesig«, sagte ich.
    »Ja, ja, du kannst wohl mal ein, zwei Wochen mit einem
Scheißkühlschrank in deinem Zimmer schlafen, wenn wir’s sagen, bei dem ganzen
Ärger, den du uns eingebrockt hast.«
    »Ich hab kein Geld mehr, Dad.«
    »Ach?«, sagte er, und es hörte sich fast zufrieden an. »Wenn du
weißt, welchen Flug du nehmen willst, sag mir Bescheid, und ich buch ihn für
dich, aber du zahlst mir jeden Penny zurück, mit Zins und Zinseszins. Ist das
klar?«
    »Na super«, sagte ich sarkastisch, verkniff mir aber jede weitere
Bemerkung. »Danke, Dad. Ich ruf dich morgen an.« Ich hatte wieder das blaue
Kleid und die flachen Pumps an. Die kleinen falschen Perlen in meinen Ohren
rieben gegen die Telefonmuschel, was mir auf die Nerven ging.
    »Bis bald«, verabschiedete ich mich von Dad.
    An diesem Abend gab mir Julie irgendeine Pille – vermutlich Ecstasy –, und ich tanzte die ganze Nacht durch zu diesem tiefen Wummern in meinem Unterleib
und einem seltsam zerbrechlichen Glücksgefühl. Ich hatte keine Worte dafür, wie
bei meinen Panikattacken, aber ich spürte auch kein Entsetzen. Die Musik
durchdrang [312]  mich, und ich tanzte stundenlang in Davids sittsamem
Marinekleidchen und den flachen Schuhen. Schon möglich, dass ich mehr als eine
von Julies Pillen nahm. Mit Sicherheit trank ich jedoch. Mir fiel auf, dass
mein Gehirn auf seltsame, angenehme, nicht eben intelligente Weise arbeitete.
Einmal aß ich nach der Schule bei einem Freund Haschkekse und merkte, wie meine
Gedanken immer bildhafter und wörtlicher wurden. Jemand sah sich gerade Easy Rider an, und Peter Fonda will, dass er und Dennis
Hopper irgendwelche Hippiemädchen auf ihren Bikes mitfahren lassen. Darauf sagt
Hopper: »Wir sind doch kein Reisebüro«, worauf alle lachen mussten. Ich lachte
auch, aber nur weil ich mir vorstellte, wie diese beiden Männer ein Büro samt
Einrichtung über die Straßen zerrten und dabei Akten und Ordner in der Landschaft
verteilten. Die alltäglichsten Metaphern wurden ein alptraumhafter Horrorfilm –
etwas springt einem ins Auge, sein Herz auf der Zunge tragen, die Welt hört
auf, sich zu drehen –, alles nahm wortwörtliche und unangenehm physische
Dimensionen an. Ich fragte mich, wie Gedanken entstanden, ob manche Menschen
spürten, wie sie nachdachten, oder ob es den meisten ganz natürlich vorkam. Gab
es in den Vorstellungen anderer Menschen unkontrollierbare Akteure wie Schatten
am Rande ihres Gesichtsfeldes, die unerwartet Sätze von sich gaben, die nicht
im Drehbuch standen? Hatten andere Menschen klare architektonische Strukturen
in ihrem Hirn? Meine sexuellen Phantasien spielten sich oft in einem minimalistischen
weißen Haus ab mit Unmengen von Fenstern wie bei einem Gewächshaus. Es gibt [313]  dort
eine Küche mit Arbeitsplatten aus schwarzem Marmor und einem passenden Tisch
aus schwarzem Marmor in der Mitte, und alle Böden sind aus blassem, versiegeltem
Holz. In Wirklichkeit gehörte dieses Haus den reichen Eltern einer
Schulfreundin, die ich mit acht Jahren kannte. Sie wohnte in Primrose Hill, gar
nicht weit von mir, aber eine viel vornehmere Gegend. In Wirklichkeit knetete
die Mutter meiner Freundin auf der Marmorplatte des Küchentischs Brotteig, und
das weiße Mehl hinterließ Muster auf dem schwarzen Stein. In meinen Träumen
habe ich auf dieser

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