Piraten der Karibik - Exquemelin, A: Piraten der Karibik
Spanier wollten allerdings auch Lösegeld bezahlen für den Neger, der die Räuber geführt hatte, aber Morgan lieferte ihn nicht aus, denn, wenn sie den in die Hände bekommen hätten, dann hätten sie ihn sicherlich lebendig verbrannt. Sodann lichteten die Piraten die Anker und segelten ab. Vier Tage später kamen sie in die Stadt Maracaibo, wo sie die Dinge fanden, wie sie sie gelassen. Aber die Zeitung, so sie dort bekamen, war ihnen unerwartet. Es kam nämlich zu Morgan ein armer Mann, der dort im Spital geblieben war, und meldete diesem, daß drei spanische Kriegsschiffe am Eingang des Sees lägen und auf ihn paßten, auch sei das Kastell wieder wohl versehen mit Geschütz. Sogleich ward ein leichtes Fahrzeug ausgesandt, um am Eingang des Sees Nachschau zu halten, was für Schiffe dort wären. Am nächsten Abend kam das Schifflein wieder und brachte vollständigen Bericht über alles was der alte Mann gesagt, war auch der Schiffe ansichtig geworden und unter deren Feuer gestanden. Hatte wahrgenommen, daß sie voller Volk waren, das größte von ihnen wohl vierzig Kanonen führte, das zweite dreißig und das kleinste vierundzwanzig; auch auf dem Kastell hatten sie Besatzung gesehen. Diese Macht war ungleich größer als die Morgans: denn das schwerste seiner Schiffe war nur mit vierzehn Kanonen montiert. Niemand durfte blicken lassen, in was für Ängsten man war, Morgan selber nicht. Aber da war guter Rat teuer: herauskommen konnte man nur durch die Einfahrt, wo die Schiffe lagen, und zu Lande gab es keine Gelegenheit. Dem Morgan wäre es sehr viel lieber gewesen, wenn jene an die Stadt herangerückt wären, statt draußen liegen zu bleiben: konnten sie ihm doch mit ihren schweren Schiffen großen Schaden tun. Gleichwohl schien es, als ob Gott – zur Strafe für die Spanier – diesen Räubern Mittel und Wege gäbe, um sie aus den Händen ihrer rechtmäßigen Widersacher zu erretten.
Um zu zeigen, daß er nicht verzagte, sandte Morgan einen Spanier als Boten, um Brandschatzung für die Stadt Maracaibo zu fordern. Zwei Tage drauf kam der wieder mit einem Brief des spanischen Generals Don Alonso del Campo y Espinosa, der mit seinen Schiffen an der Einfahrt des Sees oder Lagons lag.
BRIEF DES SPANISCHEN GENERALS DON ALONSO DEL CAMPO Y ESPINOSA AN MORGAN, DEN ADMIRAL DER RÄUBER.
Da ich durch unsere Freunde und Nachbarn Zeitung bekommen, daß ihr die Keckheit gehabt, mit feindlicher Absicht in Lande und Städte einzudringen, welche der Botmäßigkeit Sr. Katholischen Majestät, des Königs von Spanien, meines Herrn, unterstehen, so bin ich meiner Pflicht gehorchend hierher gekommen und habe das Kastell, das ihr einer Schar von Feiglingen abgewonnen und von dem ihr die Geschütze heruntergeworfen, wieder aufgerichtet, um euch solchermaßen die Ausfahrt aus dem Hafen zu verwehren und so viel Abbruch zu tun, als meine Pflicht erheischt. So ihr aber demütigen Sinnes alles wiedererstatten wollet, was ihr geraubt, nebst allen Sklaven und sonstigen Gefangenen, will ich euch aus Gnade und Barmherzigkeit eures Weges ziehen lassen, damit ihr euch nach eurem Heimatlande retirieren möget. Solltet ihr euch aber hartnäckig erweisen ungeachtet dieser von mir ehrlich angebotenen Bedingungen, werde ich aus Caracas leichte Schiffe kommen lassen und auf denen meine Truppen nach Maracaibo befördern, um euch allesamt mit der Schärfe des Schwertes zu vernichten. Dies ist meine letzte Resolution: sieh zu, daß du meine Güte nicht undankbar von der Hand weisest; denn ich habe gar tapfere Soldaten, die begehren, Rache an euch zu nehmen für die Unbill, die ihr der spanischen Nation in Amerika antut
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Gegeben auf dem von mir befehligten Schiff Sr. Majestät, genannt „La Magdalena“, das vor Anker liegt an der Einfahrt des Sees von Maracaibo, am 24. April 1669
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Unterschrift: Don Alonso del Campo y Espinosa
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Morgan, als er diesen Brief gelesen, ließ alle Räuber auf dem Markte zusammentreten und den Brief erst auf englisch, dann auf französisch vorlesen, worauf er sie fragte, wie sie allesamt gesinnt wären, die Beute wiederzugeben, um freie Passage zu kriegen, oder lieber darum zu fechten. Sie antworteten einhellig, daß sie lieber bis zum letzten Blutstropfen fechten wollten, als die Beute so leichtfertig wieder herzugeben: hätten sie dafür einmal ihr Leben gewagt, so wollten sie es auch das zweite Mal tun. Einer aus dem Haufen kam zu Morgan und erklärte, daß er es mit dem Beistande von zwölf Mann auf sich nehme,
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