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Piratenbraut

Piratenbraut

Titel: Piratenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Geisler
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hingegen darf ich viele Konflikte ungefiltert miterleben. Das gibt mir das Gefühl, wirklich nah dran zu sein – auch wenn das in vielen Fällen gar nicht stimmt.
    Wer weiß, vielleicht lässt sich im Idealfall sogar von den Streitereien anderer Piraten profitieren? Während einige Mitstreiter vor lauter Kleinkrieg kaum zum Arbeiten kommen, nutze ich die Gelegenheit und bringe mich inhaltlich ein.
    Es mag paradox klingen: Aber die angeblich so dramatische, ja womöglich gar existenzgefährdende programmatische Schwäche der Piraten hat sich für mich als Piratin bisher als ihr größter Reiz erwiesen. Wo noch nichts ist, darf jeder kreativ sein. In keiner anderen halbwegs ernst zu nehmenden Partei in Deutschland kann man inhaltlich noch so viel gestalten wie bei den Piraten.
    Kein Wunder, dass bislang keiner so richtig sagen kann, wo genau meine Partei politisch steht – auch ich nicht. Die Ausrichtung der Piratenpartei ist schlichtweg noch nicht entschieden. Sobald Parteichef Bernd Schlömer die Piraten in einem Interview als »liberale« Kraft im politischen Spektrum irgendwo in der Nähe der FDP verortet, gehen wieder die Diskussionen auf den Mailinglisten der Berliner Piraten los, weil sich viele der Hauptstadt-Piraten wohl eher in der Nachbarschaft der Grünen oder gar der Linkspartei vermuten.
    Mir persönlich kommt die programmatische Unbestimmtheit dieser Partei entgegen. Die Piraten bewegen sich irgendwo zwischen FDP und Linkspartei? Irgendwie quer zum etablierten politischen Spektrum? Wunderbar: Ich auch. Ja, der Gedanke, dass dieser unfertige Zustand beim nächsten Bundesparteitag in Bochum beendet werden könnte, macht mir sogar ein bisschen Sorgen. Wer weiß, ob ich mich danach inhaltlich noch aufgehoben fühlen kann in dieser Partei?
    Und – zumindest bei der Programmarbeit – sind die Piraten wirklich eine »Mitmachpartei«. Nach gerade einmal drei Monaten als Piratin habe ich schon vier kleine Bausteine für das Programm zur Bundestagswahl 2013 im Rennen. Ist das nicht phänomenal?
    Ich wage nicht zu beurteilen, ob unser Paket familienpolitischer Initiativen am Ende wirklich mehrheitsfähig sein wird. Kurzzeitig war ich absolut optimistisch. Schon acht Stunden, nachdem Annika, Philipp, Incredibul, SofitaLunes und ich unsere vier Antragsmodule mit den Titeln »Präambel«, »Kinderbetreuung und Arbeitszeitverkürzung«, »Elterngeld« und »Ehegattensplitting« ins Meinungsbildungsportal Liquid Feedback gestellt hatten, waren ausreichend Unterstützer da, um die Anträge zur Abstimmung zu stellen. Zehn Prozent aller Piraten, die im Liquid Feedback für das Thema Familienpolitik registriert sind, fanden unsere Initiative auf Anhieb interessant. Damit hatten wir mit Schwung den in der Software eingebauten politischen Spamfilter überwunden. Und dieses Liquid Feedback, das ich unlängst noch als dubioses Programm kritisiert hatte, kam mir mit einem Mal doch recht charmant vor.
    Bei genauerem Hinsehen allerdings verflüchtigte sich meine erste Euphorie so schnell, wie sie entstanden war: Im Liquid Feedback waren wir nur deshalb so erfolgreich, weil Philipp und Annika reihenweise delegierte Stimmen anderer Piraten mit in die Abstimmung brachten. Seither sind die grünen Balken hinter unseren vier Antragsmodulen kaum noch gewachsen. Unsere Initiativen dümpeln vor sich hin.
    Und trotzdem, eines zumindest hat die Mitmachsoftware geschafft: Sie hat mich motiviert, politische Ideen auszuformulieren, zur Diskussion zu stellen und zu verfechten. Nach hundert Tagen kann ich mit Gewissheit sagen: Die Programmarbeit bei den Piraten macht mir wirklich Spaß. Die Piraten haben meinen politischen Ehrgeiz angestachelt. Ich will unsere Anträge zur Familienpolitik ins Programm für die Bundestagswahl bringen. Und zwar alle vier.
    »Haben Sie Fehler gemacht als Parteichef?«, wurde Bernd Schlömer in dem Hundert-Tage-Interview gefragt. Seine Antwort: »Wir haben zu Beginn die Erschöpfung von ehrenamtlich tätigen Menschen unterschätzt. Wir müssen darauf achten, dass unsere Parteimitarbeiter nicht mit Burn-out aus der Partei ausscheiden.«
    Da ist was dran. Selbst ich komme mir zuweilen heillos überbucht vor. Soll ich Donnerstagabend mit meiner Prometheus-Crew den neuen Science-Fiction-Film »Prometheus« im Kino anschauen? Oder mit Annika, Philipp und Incredibul im Mumble über die Änderungsanträge zu unseren Familieninitiativen diskutieren? Dann verpasse ich allerdings, was zeitgleich die AG Familie im Mumble

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