Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls
drin?«
»Eine Frau«, sagte er. »In der Krankenstube. Sie’s tot, aber ich weiß nich, woran sie gestorben is.«
Trinica sah Frey einen Moment lang an. »Bist du sicher, dass sie tot ist?«
»Ja, Käpt’n. Sie hat kein’ Puls, und sie atmet nich. Ich hab an ihrer Brust gehorcht, und ihr Herz schlägt nich. Hab schon einen Haufen tote Männer und Frauen gesehn, und sie’s eindeutig tot.«
»Sie hat sich den Kopf angeschlagen«, sagte Frey. »Als ihr auf uns geschossen habt.« Er deutete auf Malvery. »Der Doc hat versucht, ihr zu helfen, aber er konnte nicht mehr viel tun. Innere Verletzungen.«
Malvery schaltete schnell. Er nickte ernst. »Schreckliche Sache. Nette junge Frau«, murmelte er.
Crake spürte, wie ihn ein kalter Schauer überlief. Er erinnerte sich an jene Nacht auf den Feldspat-Inseln, bei Gallian Thades Ball in Scorchwood Heights. Die Nacht, als Jez wirklich hingefallen war und sich den Kopf angeschlagen hatte. Fredger Cordwain, der Mann von der Shacklemore-Agentur, hatte damals ebenfalls ihren Puls gefühlt. Er war ebenfalls überzeugt gewesen, dass sie tot war. Damals hatte Crake angenommen, dass er sich im Eifer des Gefechts geirrt hatte, aber jetzt war er nicht mehr so sicher.
Wie hatte sie es geschafft, beide zu täuschen?
»Sollen wir sie wegschaffen?«, fragte der Mann mit dem Stahlohr.
»Nein«, sagte Dracken. »Lasst sie, wo sie ist. Wir werden die Leiche brauchen, um sie dem Herzog zu zeigen. Wie geht’s mit dem Golem voran?«
»Sie kommen gerade raus, Käpt’n«, erwiderte er mit einer Handbewegung zu dem halben Dutzend Männer, die Bess’ reglose Gestalt die Rampe heruntertrugen.
»Was habt ihr mit ihr vor?«, platzte Crake besorgt heraus, bevor ihn die Vernunft daran hindern konnte.
Drackens schwarze Augen richteten sich auf ihn. Crake hatte auf einmal das unangenehme Gefühl, dass es sehr dumm von ihm gewesen war, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Dieses Ding gehört dir, nicht wahr?«, sagte sie. »Du bist der Dämonist?«
Crake schluckte und schmeckte Asche im Rachen. Dracken kam gemächlich zu ihm herüber und ließ dabei den Blick über die Reihe der Gefangenen schweifen.
»Sehr clever, was du in Rabban getan hast«, sagte sie leise. »Und auch erstaunlich. Ich hätte erwartet, dass ein Dämonist seinen Golem zurücklässt und sich einen neuen macht, aber du hast ihn tatsächlich aus meinem Laderaum gerettet. « Sie musterte ihn mit einer Intensität, bei der er sich innerlich wand.
Crake hielt den Mund. Er hatte den Eindruck, dass er sich mit jedem weiteren Wort nur noch tiefer in die Bredouille reiten würde.
»Trotzdem, so interessant es ist, ich bin nicht so dumm, zweimal auf denselben Trick hereinzufallen«, sagte sie. »Und ich will nicht, dass dieses Ding während des Rückflugs aufwacht. Dein Golem bleibt also hier.«
Crake spürte, wie ihm die Knie weich wurden. Die Vorstellung
war so schrecklich, dass er beinahe taumelte. Er schaute sich wild um, nahm den Anblick der endlosen, weglosen grauen Weite in sich auf, die sie umgab. Nirgends Anzeichen von Leben. Keine Zivilisation. Nichts als die winzigen Punkte von Flugzeugen und Luftschiffen auf dem Weg zur Küste, hoffnungslos fern.
Wenn sie hier zurückblieb, würde er sie endgültig verlieren.
»Ich habe eine Idee«, wandte sich Dracken an Frey. »Offenbar ist die einzige andere Person, die den Zünd-Code kennt, tot, und dich möchte ich lieber nicht töten, bevor du ein Geständnis abgelegt hast. Aber ein Dämonist … nun, der könnte uns Probleme bereiten. Dämonisten sind bewandert in allen möglichen … Künsten. Wäre wahrscheinlich einfacher, ihn jetzt gleich loszuwerden.«
Crake sah, was kommen würde. Sie hob ihre Waffe und richtete sie – ein Ablauf, der inzwischen etwas deprimierend Vertrautes hatte – auf seine Stirn.
»Sofern du mir nicht irgendwas zu sagen hast, Frey«, half sie nach.
Freys Miene war versteinert. Crake hatte diesen teilnahmslosen Ausdruck schon einmal gesehen, als Lawsen Macarde ihn in eine ähnliche Situation gebracht hatte. Nur bestanden diesmal wenig Zweifel daran, dass Trinicas Revolver vollständig geladen war.
Eine seltsame Ruhe überkam ihn. Dann soll es jetzt enden.
»Du hast Zeit, bis ich bei drei bin«, sagte Trinica. »Eins.«
Er war müde. Hatte es satt, gegen den Kummer und die Scham anzukämpfen, mit der Last eines einzigen arroganten Fehlers zu leben: dem Irrglauben, eines der Monster des Äthers herbeirufen und unversehrt davonkommen
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