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Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Titel: Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Wooding
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zu können. War des Versuchs überdrüssig, diese schreckliche Schicksalswende zu verstehen, die seine Nichte ausgerechnet
in jener Nacht und keiner anderen in sein Sanktum geführt hatte.
    Sollte sie doch hierbleiben, inmitten der Asche und des Staubs. Wenn er sie nicht aufweckte, würde es niemand jemals tun. Der ewige Schlaf. Vielleicht würde sie von schöneren Dingen träumen.
    »Zwei.«
    Er schloss die Augen, und zu seiner leisen Überraschung löste sich eine Träne. Er spürte, wie sie ihm übers Gesicht rann, über den Vorsprung seines Wangenknochens, und in seinem Bart verschwand.
    Er hatte so hart daran gearbeitet, ein großer Dämonist zu werden. Es hatte in Schande, Schmach und Versagen geendet. Was war eine Welt wert, die ihre Bewohner derart behandelte?
    »Dr – «, begann Trinica.
    »Halt!«, stieß Frey hervor.
    Crakes Augen blieben geschlossen. Er schwebte auf Messers Schneide zwischen Sein und Nichtsein und wagte nicht, die Balance auch nur mit der leisesten Bewegung zu stören.
    »Sieben siebenundsechzig, Doppel-eins, Doppel-acht«, hörte er seinen Kapitän sagen.
    Es gab eine lange Pause. Jeder Herzschlag ließ seinen Körper erbeben. Er hegte nicht einmal Hoffnung – wusste nicht einmal, ob er in der Welt der Lebenden bleiben wollte.
    Aber die Entscheidung lag nicht bei ihm. Er spürte, wie das kalte Metall der Revolvermündung von seiner Stirn genommen wurde. Seine Augen öffneten sich flatternd. Dracken war zurückgetreten und betrachtete ihn wie ein Kind, das gerade ein Insekt verschont hatte. Dann drehte sie sich zu Frey um und zog eine Augenbraue hoch. Frey wandte zornig den Blick ab.

    Crake fühlte sich losgelöst von sich selbst, von einer traumartigen Taubheit umhüllt. Er sah zu, wie Drackens Leute Bess von der Ketty Jay wegtrugen. Dann stellten sie sie mit unübersehbarer Schadenfreude auf die Beine. Eine bucklige Statue aus Metall, ein Denkmal für ihren Sieg. Er hörte, wie Dracken dem Stahlohr befahl, zwei Mann abzustellen, die mit der Ketty Jay hinter ihnen herfliegen sollten. Frey mied den Blick seiner Leute: Er war von Dracken gebrochen worden, und in ihm loderten ein Hass und eine Wut, wie Crake sie noch nie bei ihm gesehen hatte.
    All das schien jedoch weit weg und belanglos zu sein. Irgendwie war er noch am Leben, obwohl er nicht recht wusste, ob er schon voll und ganz von der Schwelle des Todes zurückgekehrt war.
    Jemand klopfte ihm auf die Schulter. Malvery. Sie wurden zu der Passagierfähre in der Nähe getrieben. Von dort aus würden sie ins Schiffsgefängnis der Delirium Trigger gebracht werden. Crake schickte eine geistige Botschaft an seine Füße, damit sie sich in Bewegung setzten. Benommen stolperte er mit der Gruppe dahin; seine Stiefel wirbelten graue Wölkchen auf. Sie wurden ein paar Stufen in den Bauch der Fähre hinaufgescheucht, wo sie sich hinsetzten, umgeben von bewaffneten Wachposten.
    Crake schaute durch die Tür der Fähre zu der einsamen Gestalt von Bess hinaus. Die Leute von der Delirium Trigger hatten sie jetzt verlassen und widmeten sich anderen Aufgaben. Die Fähre startete ihre Motoren und wirbelte dabei Staubschleier auf, die sich auf Bess herabsenkten.
    Lassen wir sie schlafen, dachte er. Gute Nacht, Bess.
    Dann schlug die Tür zu, und er sah sie nicht mehr.

ZWEIUNDDREISSIG
Audienz bei Dracken – Die Vergangenheit kommt zur Sprache – Die hässliche Wahrheit
    »Du da, komm raus.«
    Frey blickte auf und sah einen stämmigen Glatzkopf mit buschigem schwarzen Bart auf der anderen Seite des Gitters. »Meinst du mich?«
    »Du bist doch der Käpt’n, oder?«
    Er sah die anderen Mitglieder seiner Crew an und versuchte sich darüber klarzuwerden, ob es irgendeinen Vorteil brachte, es abzustreiten. Man hatte sie alle sechs in dieselbe Zelle im Schiffsgefängnis der Delirium Trigger gesteckt. Es gab insgesamt fünf Zellen, die jeweils zehn Personen fassten. Die Wände waren aus Metall, die Beleuchtung war schwach. Ölgeruch lag in der Luft, und die Geräusche ratternder Maschinen und ferner Schiffsmotoren hallten in den hohlen Räumen wider.
    Silo schaute ihm mit seinem üblichen unergründlichen Blick in die Augen. Malvery zuckte nur die Achseln.
    »Ich bin der Kapitän«, sagte Frey schließlich.
    »Käpt’n Dracken will dich sehen«, verkündete der Glatzkopf.
    Der Gefängniswärter entriegelte die Tür und stieß sie auf, wobei er mit einer Flinte herumfuchtelte, um sie von etwaigen
Ausbruchsversuchen abzuhalten. Frey ging hindurch, und die

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