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Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Titel: Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Wooding
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Allmählich war es ihm schon ein bisschen peinlich, dass er das Thema überhaupt zur Sprache gebracht hatte.
    »Vielleicht haben Sie Recht«, sagte er. »Vielleicht sollte ich nicht hier sein.«
    »Hey, hey, das habe ich nicht gesagt!« Malvery grinste. »Ich meine nur, Sie sollten sich klarmachen, dass nicht jeder so denkt wie Sie. Harte Lektion, aber der Mühe wert.«
    Crake nippte schweigend an seinem Rum. Seine ohnehin schon düstere Stimmung verfinsterte sich noch mehr. Vielleicht sollte er es wirklich einfach aufgeben. Im nächsten Hafen von Bord gehen, all dem den Rücken kehren. Es waren nun schon sechs Monate. Sechs Monate, in denen er von einem Ort zum anderen gezogen war, unter einem angenommenen Namen gelebt und seine Spuren verwischt hatte, damit niemand ihn finden konnte. Anfangs hatte er wie ein reicher Landstreicher gelebt, hatte in schäbigen Hotels in ganz Vardia gewohnt und seine Tage und Nächte in panischer Angst oder betrunkenem Kummer verbracht. Vor drei Monaten war ihm allmählich das Geld ausgegangen, und er hatte sich wieder ein wenig in den Griff bekommen. Dann hatte er Frey und die Ketty Jay gefunden.
    Inzwischen musste die Spur doch wohl kalt geworden sein?
    »Sie denken doch nicht wirklich daran, den Krempel hinzuschmeißen, oder?«, setzte Malvery nach. Jetzt war er wieder ernst.
    Crake seufzte. »Ich weiß nicht, ob ich bleiben kann. Nicht nach alledem.«

    »Wäre ziemlich dämlich, wenn Sie jetzt gingen. So wie ich es sehe, haben Sie mit diesem Entermesser für das ganze Jahr auf dem Schiff bezahlt.«
    Crake zuckte mürrisch die Achseln. Malvery stieß ihn kameradschaftlich mit dem Stiefel an, so dass er beinahe vom Stuhl gefallen wäre.
    »Wo wollen Sie überhaupt hin, hm?«, fragte er. »Sie gehören hierher.«
    »Ich gehöre hierher?«
    »Aber natürlich!«, grölte Malvery. »Schauen Sie uns doch an! Wir sind keine Schmuggler oder Piraten. Wir sind nicht mal eine Crew! Der Käpt’n ist nur der Käpt’n, weil ihm das Schiff gehört; ich würde ihm nicht mal zutrauen, dass er einen Bären zum Honig führen kann. Niemand von uns hier hat wegen der Aussicht auf Abenteuer oder Reichtümer angeheuert, denn von beidem gibt’s garantiert wenig genug.« Er zwinkerte Crake verschwörerisch zu. »Aber eins kann ich Ihnen sagen: Es gibt keinen bei uns, der nicht vor irgendwas wegläuft, Sie eingeschlossen. Darauf verwette ich meinen letzten Schluck Rum.« Er trank seinen letzten Schluck Rum, nur um sicherzugehen, und fügte dann hinzu: »Deshalb gehören Sie hierher. Weil Sie einer von uns sind.«
    Crake musste unwillkürlich über das billige Gefühl der Kameraderie lächeln, das Malverys Worte bei ihm auslösten. Trotzdem, Malvery hatte Recht. Wohin sollte er gehen? Was sollte er tun? Er trat Wasser, weil er nicht wusste, in welche Richtung er schwimmen sollte. Und bis er das herausgefunden hatte, war die Ketty Jay ein so gutes Versteck vor den Haien wie jedes andere.
    »Ich dachte nur …«, sagte er. »Es ist halt … ich dachte, er wäre mein Freund.«
    »Er ist Ihr Freund. In gewissem Sinn. Kommt nur auf die
Definition an. Ich hatte viele Freunde damals, aber die meisten von denen hätten mir keinen Shillie gegeben, wenn ich verhungert wäre.« Er öffnete eine Schublade in der Anrichte und holte eine Flasche mit einer klaren Flüssigkeit heraus. »Rum ist alle. Probieren Sie mal das hier.«
    »Was ist das?« Crake hielt ihm den Becher hin. Er war bereits angenehm beduselt und weit jenseits des Punktes, wo er noch imstande gewesen wäre, sich zu weigern.
    »Damit reinige ich Wunden«, erklärte Malvery.
    »Dann ist das hier wohl ein Patientengespräch«, sagte Crake. Malvery überschüttete ihn mit einem wahren Hurrikan von Gelächter, so laut, dass er zusammenzuckte.
    »Das ist es, das ist es«, sagte er und lüpfte die Brille ein Stück, um sich ein tränendes Auge abzuwischen.
    »Und warum sind Sie hier?«, fragte Crake. »Von der Gilde zugelassener Arzt, dicker Job in der Großstadt, bei dem Sie ein Vermögen gemacht haben. Warum die Ketty Jay?«
    Malverys Laune trübte sich merklich. Ein Anflug von Schmerz ging über sein Gesicht. Er senkte den Blick in seinen Becher.
    »Sagen wir einfach, ich bin genau dort, wo ich zu sein verdiene.« Dann sammelte er sich und hob seinen Becher schwungvoll zu einem Toast.
    »Auf Freunde!«, verkündete er. »In welcher Form auch immer, und ganz gleich, wie wir sie definieren.«
    »Auf Freunde«, sagte Crake, und sie tranken.

FÜNF
Flug im

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