Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls
würden sie sowieso vor Gericht gestellt und gehenkt werden, wenn auch nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.
Aber er würde es nicht tun. Er würde dieses Papier nicht unterschreiben, weil er es ihnen nicht leicht machen wollte. Weil er um jeden Moment kämpfen würde, der ihm noch blieb, weil er sein Dasein bis zum Letzten ausnutzen würde.
Gestehen hieß aufgeben. Er leistete nicht deshalb Widerstand, weil er damit etwas zu erreichen hoffte; er leistete Widerstand, um Widerstand zu leisten. Es spielte keine Rolle, wie vergeblich es war. Dass er so nah dran gewesen war, dass er es fast geschafft hätte, seine Crew aus dem Schlamassel herauszuholen, in das er sie gestürzt hatte, verbitterte ihn. Es machte ihn wütend.
Also genoss er die kleinen Siege, die ihm noch blieben. Jez war ihnen entwischt, wie auch immer sie das angestellt haben mochte, und hatte die Ketty Jay mitgenommen. Da Grephen nicht sofort in aller Eile zurückkam, um sich seiner Gefangenen zu entledigen, hatte Trinica Dracken anscheinend versäumt, den Verlust des Schiffes zu erwähnen. Ohne es zu wollen, hatte sie ihnen damit etwas Zeit verschafft.
Er hatte sie jetzt zweimal in Verlegenheit gebracht. Darin fand er Trost. Ihm war nicht entgangen, dass Trinica den Kompass und die Karten jetzt ständig in ihrer Nähe behielt. Sie hatte sie bei sich gehabt, als sie alle von der Delirium Trigger zum Landeplatz in Mortengrace gebracht worden waren. Sie befürchtete, dass sie erneut gestohlen werden könnten, und wollte sie nicht in ihrer Kabine lassen.
Kleine Siege. Aber dennoch Siege.
Er hegte nicht die Hoffnung, dass Jez zurückkommen würde. Es wäre nicht nur dumm, sie hatte auch keinen richtigen Grund dazu. Sie waren nur eine Crew wie viele andere, denen sie zuvor angehört hatte. Obwohl sie in ihrem Job tüchtig war, hatte sie immer reserviert gewirkt und sich meist in ihrer Kabine aufgehalten. Er bildete sich nicht ein, dass sie eine besondere Zuneigung zu ihnen hegte, und er hatte keinen Anlass, Loyalität von ihr zu erwarten. Schließlich war sie kaum zu ihnen gestoßen, als er sie auch schon zu einer Gesetzlosen gemacht hatte.
Aber die Ketty Jay lebte weiter, und mit einer neuen Kapitänin am Ruder. Für Frey war das in Ordnung. Wenn er sie nicht haben konnte, dann bekam sie erfreulicherweise jemand anders, und er hatte seine kleine Navigatorin stets gemocht. Er würde sich immer fragen, wie Jez es angestellt hatte, obwohl er Trost darin fand, dass er sich diese Frage nicht mehr sehr lange stellen müssen würde.
Ich nehme an, Schlacke hat es auch geschafft, dachte er. Wie er wohl mit seiner neuen Kapitänin zurechtkommen wird?
»Unterschreib!«, drängte der Folterer und drückte ihm den Federhalter in die Hand.
Frey nahm ihn. »Gib mir das Papier«, sagte er.
Die Augen des Folterers leuchteten erwartungsvoll auf. Er rückte den Tisch näher heran, damit Frey darauf schreiben konnte. Die Riemen an den ledernen Handschellen gaben Frey ein paar Zentimeter Spielraum. Der Folterer dachte vermutlich, dass man ein wenig Platz brauchte, um sich ordentlich in Krämpfen winden zu können.
»Ein bisschen näher. Ich komme nicht dran«, sagte Frey. Der Folterer erfüllte ihm seine Bitte. »Kannst du das Papier festhalten? Ist nicht so leicht mit einer Hand.«
Der Folterer lächelte ermutigend, während er das Papier festhielt, damit Frey unterschreiben konnte. Er hörte auf zu lächeln, als Frey ihm den Federhalter in die weiche, fleischige Stelle zwischen Daumen und Zeigefinger rammte.
Ein dritter Mann in Uniform stürmte zur Tür herein und blieb bei dem Anblick, der sich ihm bot, verwirrt stehen. Der Folterer kreiselte schreiend durch den Raum und hielt sich die aufgespießte Hand, aus der noch der Federhalter ragte. Der Wachposten an der Tür bog sich in einem Lachkrampf. Frey hatte das Geständnis zu einem Kügelchen zerknüllt und versuchte, es in den Mund zu stecken, um es zu
essen, kam aber nicht ganz heran. Er hielt schuldbewusst inne, als der Neuankömmling ihn anstarrte, dann ließ er es fallen.
» Was willst du?«, schrie der Folterer, als er wieder zu Atem gekommen war.
»Du kannst jetzt aufhören«, sagte der Neuankömmling.
»Aber er hat noch nicht gestanden!«
»Wir setzen später ein neues Geständnis auf und unterschreiben es für ihn. Der Herzog ist mit einem Richter zurück. Er will, dass die Sache erledigt wird.«
»Kannst du mir nicht noch eine Stunde Zeit geben?«, jammerte der Folterer, der seine Chance zur
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