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Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Titel: Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Wooding
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Rache dahinschwinden sah.
    »Ich soll ihn sofort übernehmen«, beharrte der Neuankömmling. »Binde ihn von diesem Stuhl los. Er kommt mit mir.«
     
    Der Himmel war blau. Klar, wolkenlos und perfekt. Frey blinzelte in die Sonne und spürte, wie sie ihm das Gesicht wärmte. Erstaunlich, dachte er – die Nordküste des Kontinents war vom Eis umschlossen, und dennoch war es hier im Süden noch immer so angenehm. Vardia war so groß, dass sein Nordrand den Polarkreis durchbrach, während die Südseite nah am Äquator lag. Er hatte sich den Winter immer als die grimmigste Jahreszeit vorgestellt; aber wie in allen anderen Dingen kam es wohl auch hier auf den Standpunkt an.
    Der für seine Hinrichtung ausersehene Ort war ein ummauerter Hof hinter den Kasernen, wo die Miliz exerzierte. Im Zentrum stand eine kleine, erhöhte Plattform, von der aus ein General die Vorgänge überwachen konnte. Aus ihrer Mitte ragte ein schmiedeeiserner Laternenpfahl empor,
an dem die Fahne des Herzogs flatterte. Die reich verzierten Arme des Laternenpfahls waren zum Aufhängen von Wimpeln gedacht, aber man hatte die Wimpel abgenommen und über einen der Arme eine Schlinge geworfen, so dass ein primitiver Galgen entstanden war. Das Ende der Schlinge lag lose um Freys Hals. Ein Henker – ein massiger, verschwitzter Riese mit einem dünnen Hemd, das sich über einen gewaltigen Bauch spannte – wartete darauf, sie straff zu ziehen.
    Eine kleine Menschenmenge hatte sich vor Frey versammelt. Zwei Dutzend Milizionäre, ein Richter, der Herzog und zwei Zeugen: Gallian Thade und Trinica Dracken. Etwas abseits stand ein Wagen mit vergitterten Seitenwänden. Im Innern dieses Käfigs auf Rädern befand sich der Rest seiner Crew. Sie waren ungewöhnlich still. Endlich hatten sie den Ernst der Lage begriffen. Selbst Pinn kapierte es allmählich. Sie würden ihren Kapitän sterben sehen. Niemandem war nach Scherzen zumute.
    Er hatte sich immer gefragt, wie es sein würde, dem Tod ins Auge zu blicken. Nicht dem schnellen, hektischen Durcheinander einer Schießerei, sondern dem langsamen, bedächtigen, in die Länge gezogenen Finale einer Hinrichtung. Er hätte nie gedacht, dass er so ruhig und gelassen sein würde. Der Wind wehte ihm eine Haarlocke in die Stirn; die Sonne schien auf seine Wangen. Er verspürte den Wunsch zu lächeln.
    Der Darian Frey, den sie gleich töten würden, war nicht der Darian Frey, den sie zum Sündenbock für ihr Verbrechen auserkoren hatten. Der alte Darian Frey war ein Versager gewesen, ein Mann, der, den Launen des Schicksals ausgeliefert, von Krise zu Katastrophe stolperte. Ein Mann, der stolz darauf gewesen war, besser zu sein als der widerwärtige
Abschaum der Schmugglerwelt, und auch gar nicht mehr gewollt hatte.
    Aber er hatte sie überrascht. Er hatte kehrtgemacht und gekämpft, als er hätte fliehen sollen. Er war ihnen immer wieder entkommen, hatte sie immer wieder überlistet. Er hatte einen Haufen unbrauchbarer Taugenichtse in etwas verwandelt, was einer Crew ähnelte. Man würde sich Geschichten darüber erzählen, wie sie in einem Hangar in Rabban der berüchtigten Trinica Dracken eins ausgewischt hatten. Alle würden es erfahren. Freibeuter in ganz Vardia würden von Darian Frey und seinem Schiff, der Ketty Jay, hören. Er war nah darangewesen, eine dreiste Verschwörung gegen die Herrscherfamilie des Landes aufzudecken, in die ein Herzog von Vardia, der legendäre Piratenkapitän Orkmund und die mächtige Erwecker-Sekte verwickelt waren.
    Nur eine letzte unglückliche Wendung des Schicksals hatte ihn gestoppt. Trinica hatte Kopien der von ihm gestohlenen Karten angefertigt. Ohne den Kompass konnte sie nicht zwischen den Magnetminen hindurchfliegen, die Retribution Falls schützten, aber sie konnte an der Stelle warten, wo er herauskommen musste.
    Ein kleiner Schnitzer. Aber er hatte sie alle ganz schön an der Nase herumgeführt. Sie mochten ihn erwischt haben, doch er fühlte sich trotzdem als Sieger.
    Er sah sich die Gesichter hinter den Gittern an: Malvery, Crake, Silo, Harkins … sogar Pinn. Überrascht stellte er fest, dass er traurig war, sie verlassen zu müssen. Er wollte nicht, dass jetzt alles endete. Er hatte gerade erst angefangen, seinen Spaß zu haben.
    Frey hörte dem Richter, der die Liste der ihm zur Last gelegten Verbrechen verlas, schon längst nicht mehr zu. Die Präliminarien waren ohne Bedeutung. Er dachte nur daran,
was kommen würde. Der Tod war unvermeidlich. Er akzeptierte es

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