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Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Titel: Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Wooding
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einen Doktor brauchen. Ich habe ihm erklärt, ich sei kein besonders guter Doktor, aber er meinte bloß, das sei okay, weil er mir sowieso nicht viel bezahlen würde. « Er brach plötzlich in lautes Gelächter aus. »Sieht ihm das nicht ähnlich?«
    Crake lächelte. »Ja. Ich glaube schon.«
    »Seit dem Tag, an dem ich meinen Freund getötet habe, habe ich kein Skalpell mehr in die Hand genommen. Ich glaube, ich könnte es auch gar nicht. Ich bewahre diese Instrumente, auf Hochglanz poliert, in der Krankenstube auf, aber ich benutze sie nie. Ich kann dir einen Verband anlegen und ein bisschen was nähen, aber ich würde mir nie zutrauen, dich aufzuschneiden. Nicht mehr. Wenn du die Wahrheit wissen willst, ich bin bloß noch ein halber Doktor.
Aber das ist in Ordnung. Ich habe nämlich eine Heimat auf der Ketty Jay gefunden, und dafür muss ich dem Käpt’n dankbar sein.« Er hielt inne, als Freys Schreie aus dem Raum weiter vorn im Korridor drangen. Eine Aufwallung von Zorn ging über sein Gesicht, war aber im Nu wieder verschwunden. »Er ist ein guter Mann, ganz egal, was für Fehler er hat. Er war mir ein guter Freund.«
    Crake dachte daran, wie Trinica ihm ihren Revolver an den Kopf gehalten und Frey den Code für sein geliebtes Luftschiff herausgegeben hatte, statt zuzusehen, wie der Dämonist erschossen wurde.
    »Ja«, sagte er. »Mir auch.«
    Crake verschränkte die Finger hinter dem Kopf und lehnte sich an die Zellenwand zurück. Silo, Harkins und jetzt Malvery: Frey hatte zweifellos ein Händchen dafür, Flüchtlinge aufzulesen. Zugegeben, sie waren ihm alle auf irgendeine Weise vonnutzen, aber wie Crake erst vor kurzem herausgefunden hatte, schuldeten sie ihrem Kapitän allesamt Dankbarkeit und Loyalität. Freys Absichten mochten rein finanzieller Natur gewesen sein – womöglich wollte er einfach nur billige Besatzungsmitglieder haben –, aber zumindest die Hälfte seiner Männer betrachtete ihn gewissermaßen als Erlöser. Vielleicht brauchte Frey sie nicht, aber sie brauchten ihn zweifellos. Ohne ihren Kapitän würde Silo irgendwann gelyncht oder nach Samarla in die Sklaverei zurückgeschickt werden, Harkins würde sich einem Leben ohne Flügel stellen müssen, und Malvery würde erneut ein mittelloser Alkoholiker sein.
    Und was war mit den anderen? Er selbst hatte einen Platz gefunden, wo er sich verstecken konnte, während er den Vorsprung vor den Shacklemores hielt. Pinn hatte einen Platz gefunden, wo man ihn tolerieren würde und wo er
in seiner zum Scheitern verurteilten Suche nach Reichtum und Ruhm für immer der Realität seiner Liebsten ausweichen konnte. Und Jez? Nun, vielleicht wollte Jez einfach nur irgendwo sein, wo niemand Fragen stellte.
    Ob es ihm gefiel oder nicht, Frey gab ihnen allen etwas, was sie brauchten. Er gab ihnen die Ketty Jay.
    »Wir laufen alle vor irgendwas weg«, sagte Crake trocken. Malverys Worte, vor Wochen ausgesprochen, bevor die Ace of Skulls von ihnen abgeschossen worden war und all dies begonnen hatte. Malvery brüllte vor Lachen, als er das Zitat erkannte.
    Crake hob den Blick zur Zellendecke. »Ich verdiene es, hier zu sein«, sagte er.
    Malvery zuckte die Achseln. »Dann gilt das auch für mich.«
    »Verdienen oder nicht verdienen gibt’s nicht«, sagte Silo. Seine tiefe Stimme rollte aus den Tiefen seiner Brust. »Es gibt das, was ist, und das, was nicht ist, und es gibt das, was man tut. Reue dient bloß dazu, dass man sich gut fühlt, wenn man nichts gut macht. Man kann sein Leben mit Reue vergeuden.«
    »Weise Worte«, sagte Malvery und entbot dem Murthianer einen angedeuteten militärischen Gruß. »Weise Worte.«
    In der Ferne schrie Frey erneut.
     
    Frey war zweimal in seinem Leben niedergeschossen, von Angehörigen beiderlei Geschlechts mehrfach verprügelt, von Hunden gebissen und mit einem dakkadianischen Bajonett in den Bauch gestochen worden, aber bis zu diesem Tag war er immer der Meinung gewesen, dass nichts auf der Welt so wehtat wie ein Krampf.
    Es gab nichts Schrecklicheres für Frey, als mitten in der Nacht mit dem verräterischen Gefühl jener Anspannung
aufzuwachen, die seine Wade hinabfuhrwie eine Messerklinge. Für gewöhnlich passierte es nach einer Nacht voller Rum oder wenn er zu viele Tropfen Shine genommen hatte, aber selbst wenn er stocknüchtern war, lag er in der engen Koje seiner Kabine oft unbequem da und unterband damit die Blutzirkulation zu dem einen oder anderen Bein.
    Die schlimmsten Momente waren jene wenigen Sekunden,

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