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Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Titel: Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Wooding
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kam aus dem Folterraum, gleich jenseits der Zelle, die er sich mit Pinn und Harkins teilte.
    »Sie haben wieder angefangen«, sagte Malvery. »Armer Kerl.«
    Crake bewegte sich. »Warum versucht er durchzuhalten
? Was spielt es für eine Rolle, ob er ein Geständnis unterschreibt oder nicht? Wir werden alle tot sein, mit oder ohne.«
    Malvery grinste unter seinem weißen Walross-Schnurrbart. »Vielleicht macht es ihm einfach Spaß, ihnen auf die Nerven zu gehen.«
    Das entlockte Silo ein Lächeln. Crake stieg nicht auf den Humor ein. Er spürte, wie Malvery ihm einen riesigen Arm um die Schulter legte.
    »Kopf hoch, hm? Seit Dracken uns erwischt hat, machst du ein Gesicht wie ein nasser Arsch.«
    Crake sah ihn verwundert an. »Weißt du, mein ganzes Leben lang habe ich mich der Illusion hingegeben, die Angst vor dem Tod wäre ein normaler, fast universeller Aspekt des Menschseins. Aber in letzter Zeit denke ich zunehmend, dass ich der Einzige in dieser Crew bin, der sich darüber auch nur andeutungsweise Sorgen macht.«
    »Ach, ich weiß nicht. Die andere Zelle ist inzwischen bestimmt schon zur Hälfte mit Harkins’ Scheiße gefüllt, solche Angst hat er«, erwiderte Malvery augenzwinkernd. »Andererseits hat er vor so gut wie allem Angst. Er ist nur deshalb noch Pilot, weil er sich mehr davor fürchtet, kein Pilot zu sein, als abgeschossen zu werden.«
    »Aber … ich meine, bereust du denn gar nichts? Hast du keine Hoffnungen, die sich nun nicht mehr erfüllen werden ? Irgend so etwas?« Crake verspürte eine gewisse Verzweiflung. Er hatte noch nie verstanden, wie die Vagabunden von der Ketty Jay so in den Tag hineinleben konnten, ohne sich je um die Zukunft oder die Vergangenheit zu scheren.
    »Ob ich etwas bereue? Aber klar doch. Ich bereue so viel, das würdest du gar nicht glauben«, sagte Malvery. »Ich hab
dir doch erzählt, dass ich Arzt in Thesk war, oder? Ich war sogar ein guter Arzt, und ich bin reich geworden. War ziemlich erfolgsverwöhnt und hab auch gern mal zur Flasche gegriffen.
    Eines Tages kam ein Bote aus meiner Praxis zu mir nach Hause. Ein Freund von mir war schwerkrank eingeliefert worden. Der Blinddarm. Es war früh am Morgen, und ich war noch gar nicht im Bett gewesen. Hatte die Nacht durchgemacht und die ganze Zeit gesoffen.«
    Crake merkte, dass der lockere Ton aus Malverys Stimme verschwand. Auf einmal wurde ihm klar, dass es um etwas Ernstes ging. Aber Malvery sprach mit erzwungener Beiläufigkeit weiter.
    »Tja, ich wusste, dass ich betrunken war, aber ich wusste auch, dass es um meinen Freund ging, und ich glaubte, ich wäre verdammt noch mal der beste Chirurg für den Job, nüchtern oder betrunken. Ich hatte mich so daran gewöhnt, ein guter Arzt zu sein, dass ich dachte, ich könnte nichts falsch machen. Wollte niemand anderen mit der Sache betrauen. Irgend so ein junger Doc hat mich aufzuhalten versucht, aber ich hab’s bloß mit einem Achselzucken abgetan. Jetzt wünschte ich, er hätte sich mehr Mühe gegeben.«
    Malvery brach plötzlich ab. Er stieß einen schweren Seufzer aus, als würde er etwas aus dem Innersten seiner Lungen herausbefördern. Als er wieder sprach, lag eine tiefe Resignation in seinem Ton. Was geschehen war, war geschehen und ließ sich nicht mehr ungeschehen machen.
    »Es hätte ein Kinderspiel sein sollen, aber ich bin unvorsichtig geworden. Bin mit dem Skalpell abgerutscht und habe eine Arterie durchtrennt. Er ist vor meinen Augen verblutet, auf dem Operationstisch, während ich noch versuchte, die Sache wieder in Ordnung zu bringen.«

    Obwohl Crake vollauf von seinem eigenen Elend in Anspruch genommen war, empfand er ein gewisses Mitgefühl für den großen schweren Mann. Er wusste genau, wie Malvery sich fühlte. Vielleicht hatten sie sich deshalb von Anfang an instinktiv gemocht. Jeder spürte im anderen das tragische Opfer der eigenen Arroganz.
    Malvery räusperte sich. »Danach habe ich alles verloren«, sagte er. »Meine Approbation. Meine Frau. Ich habe mein Geld zum Fenster rausgeworfen. War mir egal. Und ich trank. Ich trank und trank und trank, das Geld wurde immer weniger, und eines Tages hatte ich nichts mehr. Ich glaube, das war so ungefähr um die Zeit, als der Käpt’n mich gefunden hat.«
    »Frey?«
    Malvery schob die Brille mit den runden, grünen Gläsern auf seiner breiten Nase hoch. »Genau. Wir sind uns in irgendeiner Hafenstadt begegnet, ich weiß nicht mehr, in welcher. Er hat mir ein paar Drinks spendiert. Hat gesagt, er könnte

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