Pitch Black
auf den Beutel mit der grünen Strickmütze. Er war gerade aus dem Besprechungszimmer zurückgekehrt, wo er getrennt voneinander die Aussagen von Mr und Mrs Arbuckle zu Protokoll genommen hatte. Beide konnten sie sich nicht daran erinnern, ob Colin eine Kopfbedeckung getragen hatte, als er am Abend zuvor sein Zuhause verlassen hatte. Sie konnten sich nicht einmal erinnern, was er sonst angehabt hatte.
Sie waren beide zutiefst empört gewesen, als Gabe die Bierdosen erwähnt hatte, und hatten darauf beharrt, dass Colin so etwas nie im Leben getan hätte. Er war ein guter, gottesfürchtiger Junge gewesen. Mr Arbuckle hatte die unwiderlegbare Behauptung aufgestellt, die Bierdosen müssten nicht automatisch bedeuten, dass sein Sohn getrunken habe. Jeder konnte die Dosen dort zurückgelassen haben.
Gabe hatte genickt und das Thema fallen lassen. Sobald sie die Fingerabdruckanalyse und den Blutalkoholspiegel erhielten, würde die Wahrheit–wie auch immer sie aussah–nicht mehr zu leugnen sein.
Es wäre schon ein verdammter Zufall, wenn sich alles bloß als Unfall eines unerfahrenen Trinkers herausstellen sollte, der zu viel gebechert hatte und über das Geländer gefallen war; vor allem, da jener Trinker einer der vier Menschen war, die sich auf dem Berg aufgehalten hatten, als Steve McPherson starb.
Gabe glaubte nicht an Zufälle.
Konnte es sein, dass Colin getrunken hatte, um seine Schuldgefühle zu ertränken? Hatte er etwas mit dem Mord an McPherson zu tun gehabt?
Gabe hob den Beutel mit dem Metallknopf hoch und hielt ihn gegen das Licht. Die Marke war Diesel. Ziemlich teuer für die meisten Jugendlichen in der Gegend hier. Und Colin hatte keine Jeansjacke getragen und auch keine Jeans. Er hatte eine Trainingshose angehabt und zwei Sweatshirts über einem weißen T-Shirt.
Vielleicht hatte der Knopf nichts mit dem Ganzen zu tun. Trotzdem würde er ihn zusammen mit den Bierdosen auf Fingerabdrücke testen lassen. Natürlich würde es ein oder zwei Tage dauern, bis er das Ergebnis bekam.
Und bis dahin hatte er nichts, was Ethan direkt mit dem Tatort in Verbindung brachte. Er betete, dass es auch so blieb.
Nach einer langen, schlaflosen Nacht war es endlich Sonntagmorgen. In unbehaglichem Schweigen gingen Madison und Ethan ihren morgendlichen Beschäftigungen nach. Madison sprach so wenig wie möglich. Finge sie erst einmal mit dem Thema an, das ihr nicht eine Sekunde aus dem Kopf ging, dann, so schien es ihr, wäre der Damm gebrochen und ihrer beider Leben endgültig zerstört.
Dazu kam, dass es nichts Neues gab, worüber sie hätten reden können…nicht, bis sie Jordan besucht hatten.
Während der Fahrt nach Knoxville blieb Ethan still. Es war ein ungutes Schweigen, die Atmosphäre war wie vergiftet. Im Wagen hatte sich eine Spannung aufgebaut, die Madison förmlich spüren konnte, bis ihr Nacken und ihre Schultern schmerzten. Sie spreizte die Finger, um ihren viel zu festen Griff am Lenkrad zu lockern.
Um zwölf Uhr dreißig bogen sie auf den Parkplatz des Pleasant Hill Stresszentrums ein und kamen dabei an Kate und Todd vorbei, die gerade wegfuhren. Kates Gesichtsausdruck war so fröhlich, dass Madison annehmen musste, Jordan gehe es besser. Hoffnung wärmte ihr die Brust. Sie winkte, aber die beiden hatten sie wohl nicht gesehen. In Knoxville fiel ihr Saab vermutlich nicht so sehr auf wie in Buckeye.
Am Empfang mussten sie sich in eine Besucherliste eintragen und dann warten, bis man sie zu Jordans Zimmer führte. Während sie in der Eingangshalle saßen, die in beruhigenden Farben gehalten und mit einem leise vor sich hin plätschernden Brunnen ausgestattet war, wurde Ethan unruhig. Er trommelte mit den Absätzen auf den Boden, sodass seine Knie unruhig zuckten. All dies fieberhafte Gezappel zerrte an Madisons angeschlagenen Nerven. Sie streckte die Hand aus und ließ sie kurz auf seinem Knie ruhen.
Seine Beine kamen zur Ruhe. »Tut mir leid«, flüsterte er. Es war seit Stunden das erste Mal, dass er etwas sagte.
Eine junge Frau kam herbei und fragte: »Sie wollen Jordan Gray besuchen?«
»Ja«, antwortete Madison. Ethan und sie waren im selben Moment von ihren Sitzen hochgeschossen. Das hier fühlte sich mehr wie eine gerichtliche Vorladung als wie ein Besuch im Krankenhaus an.
»Mein Name ist Vanessa. Ich bringe Sie zu seinem Zimmer.«
Madison ging neben der Frau her, während Ethan hinter den beiden hertrottete.
Sie gingen einen Flur hinunter, bis sie zu einer Tür kamen, deren obere Hälfte
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