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Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Titel: Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schimun Wrotschek
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Maul auf, und die Lampe brannte für ein paar Sekunden heller.
    Der Zöllner trug ein blaues Zugführerhemd. Die aufgekrempelten Ärmel entblößten dicke, stark behaarte Arme. Der Mann warf einen gelangweilten Blick auf die Ankömmlinge und winkte sie auf die Zollstation herüber. Nach Papieren fragte er nicht. Gut so, dachte Iwan.
    Rechts vom hermetischen Tor befand sich der Einstieg in den Gang, durch den die Reisenden ihren Weg fortsetzen mussten.
    Iwan fragte sich, wie wohl die Blinden mit der Umgehung des Tors zurechtkommen würden. Direkt nach dem Blindenführer sprang er auf die Zollinsel. Die Plattform schaukelte. Wasser spritzte.
    Das war’s. Leb wohl, Neuvenedig.
    Als Nächster verließ der Oberführer die Fähre. Im Augenwinkel beobachtete Iwan, wie der Blinde mit dem Zöllner tuschelte.
    »Wo bleibt denn Mischa?«
    Iwan wandte sich um. Verdammt!
    Der junge Polizist lag rücklings auf der Fähre – und rührte sich nicht. Um ihn herum drängten sich die Blinden. Einer von ihnen hielt seinen Stock in die Höhe. Offenbar hatte er Kusnezow damit niedergeschlagen.
    »Mischa!« Iwan machte einen Schritt zum Rand der Zollstation, doch im selben Moment wurde ihm klar, dass das ein Fehler gewesen war. Ein bleischwerer Pfropfen bildete sich in seinem Hinterkopf. Er hätte dem Blindenführer niemals den Rücken zukehren dürfen.
    Langsam drehte er sich wieder um.
    Noch bevor der Blindenführer wieder ins Bild kam, traf den Digger ein heftiger Schlag. Ein stechender Schmerz, als würde sein Kopf gespalten.
    Noch im Fallen hörte Iwan das Kampfgebrüll des Oberführers.
    Das bringt nichts, dachte Iwan.
    Er fiel wie durch farblosen Sirup, lautlos und sanft. Schaukelnd federte die Plattform seinen Körper ab.
    Nach einem weiteren Schlag gingen die Lichter aus.
    Finsternis.
    Iwan saß auf einem kalten Betonboden. Es war so dunkel, dass man die Hand vor Augen nicht sehen konnte. Abgesehen von ein paar flimmernden Lichtflecken, doch die waren nicht real – nur ein kleines Gewitter im Sehnerv.
    Er stand auf und tastete sich mit ausgestreckten Armen vorwärts. Seine Hände stießen auf Metall: raue Eisenstäbe mit abblätterndem Rost. Er bewegte sich an dem Gitter entlang, um die Grenzen seiner Bewegungsfreiheit auszuloten. Wo befand er sich? In einem Verlies unter einem Bahnsteig? In einem Schacht?
    Mit der Bewegungsfreiheit war es nicht weit her. Die Gitterstäbe erwiesen sich als geschlossene Zelle – etwa eineinhalb Meter lang und einen Meter breit. Auf der Suche nach einem Ausgang ertastete Iwan ein massives, glattes Schloss, das sich eiskalt anfühlte. Im Unterschied zu den Gitterstäben schien es nagelneu zu sein. In der Ecke der Zelle stand ein Eimer zur Verrichtung der Notdurft.
    Wie fürsorglich, dachte Iwan sarkastisch. Was ist eigentlich passiert? Ich habe einen Schlag auf den Schädel bekommen, das Bewusstsein verloren, und jetzt sitze ich hier in einer stockfinsteren Zelle. Warum haben die Blinden uns angegriffen?
    In der totalen Finsternis verlor Iwan jegliches Zeitgefühl. Er hätte nicht sagen können, ob seit seinem Erwachen Stunden oder Minuten verstrichen waren. Doch damit nicht genug: Er verlor auch das Gefühl für seinen Körper. Irgendwann spürte er ihn einfach nicht mehr. Ein eigenartiger Zustand. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass er sich für längere Zeit in völliger Dunkelheit befand. Doch bislang hatte er immer die Möglichkeit gehabt, sich frei zu bewegen und nach einem Ausweg zu suchen. Diesmal war er dazu verdammt, tatenlos in einer Zelle zu sitzen, zurückgeworfen auf sich selbst und die Gedankenmühle in seinem Kopf.
    Wenn ich jemals den Verstand verliere, dann hier, dachte er.
    »Oder bin ich schon verrückt?«, sagte Iwan laut.
    In der Finsternis hörte sich seine Stimme fremd und ausgesprochen albern an.
    Stille.
    »Wer ist verrückt?«, fragte eine andere Stimme rechts von Iwan. »Könnten Sie sich vielleicht etwas präziser ausdrücken, junger Mann? Oder sich wenigstens vorstellen?«
    Iwans Mund klappte auf.
    »So was«, murmelte er. »Das kann ja wohl nicht sein. Völliger Unsinn.«
    »Wovon reden Sie, wenn ich fragen darf?«, erkundigte sich die Stimme.
    »Ich bilde mir gerade ein, dass Professor Wodjanik mit mir spricht«, antwortete Iwan ehrlich. »Aber das ist unmöglich!«
    Schweigen. Langes Schweigen.
    Sehr langes Schweigen.
    »Iwan?!«
    Wieder die Stimme des Professors. Das hatte gerade noch gefehlt.
    »Professor, das können Sie jetzt nicht bringen. Ich war

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