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Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Titel: Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schimun Wrotschek
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mit den Fingern durchs Haar.
    Da lebst du sechsundzwanzig Jahre, machst dir keinen Kopf, und dann kommt plötzlich einer daher und stößt dich mit der Nase drauf.
    Lanza brachte sie durch den Kontrollposten der Pionerskaja . Die beiden Kastraten, die dort Wache schoben, waren ebenso groß und breitschultrig wie er. Man hätte sie für normale Männer halten können, wären da nicht diese weiblichen Gesichtszüge gewesen und diese etwas gezierte Art, sich zu bewegen.
    Ihr Äußeres hat etwas Widernatürliches, dachte Iwan. Irgendetwas daran stimmt nicht.
    Zum Abschied überreichte ihnen Lanza einen Helm mit Stirnlampe. Zu der Lampe gehörte ein alter Akku, den man am Gürtel befestigen konnte.
    »An dieser Stelle trennen sich unsere Wege«, sagte Lanza. »Hier sind eure Sachen. Mit Waffen sieht es leider nicht so gut aus.« Er nahm die Kalaschnikow von der Schulter, die sie bei den Blinden erbeutet hatten, und gab sie Iwan zurück. »Es sind nur achtzehn Patronen, mehr konnte ich nicht auftreiben.«
    »Macht nichts«, erwiderte Iwan. »Wir schlagen uns schon irgendwie durch. Wir sind Mangel gewohnt.«
    »Ich weiß nicht, wie lange der Akku halten wird«, sagte Lanza. »Ich habe zwar ein paar Bücher über Elektrotechnik in meinem Gedächtnis liegen, aber das Problem ist, dass ich sie noch nicht gelesen habe.«
    Iwan schmunzelte.
    Der Oberführer kam herbei, um sich zu verabschieden. Es war nicht zu übersehen, welche Überwindung ihn das kostete. Seine Gesichtsmuskeln zuckten.
    »Auf Wiedersehen, Oberführer«, flötete Lanza mit seiner Engelsstimme und reichte dem Skinhead die Hand.
    »Hm«, brummte der Oberführer ungnädig und ergriff die Hand des Kastraten – ganz vorsichtig, als hätte er Angst, sie zu zerquetschen.
    Dann drückte er zu. Lanza lächelte ungerührt. Der Skinhead drückte fester zu. Und noch fester. An seinem Hals traten bereits die Adern hervor. Lanza verzog keine Miene.
    »Sie … äh … du … bist also doch ein Mann«, stotterte der Oberführer, gab endlich auf und schüttelte seine gerötete Hand aus. »Respekt. Vielen Dank für alles.«
    Das war’s. Leb wohl, Station der Engel.
    »Äh …« Der Skinhead rang mit sich und wandte sich noch einmal zu Lanza um. »Könntest du uns zum Abschied nicht etwas singen? Aber irgendwas … du weißt schon, irgendwas Normales.«
    Die Opernarien hatte offenbar nicht nur Iwan als schwer verdaulich empfunden.
    Der Kastrat lächelte verlegen. »Warum nicht.«
    »Im jungen Frühlingsmond April«, sang Lanza, »da taut im alten Park der Schnee …«
    Das fröhliche Kinderlied schallte durch den Tunnel. Man hatte den Eindruck, dass eine Frau und ein Kind gleichzeitig sangen und ihnen das Echo eines Kinderchors antwortete.
    »Die geflü-hügelte Schaukel … sie fliegt und fliegt und fliegt …«
    Sie folgten dem Tunnel in Richtung Tschornaja retschka und lauschten dem Gesang des Kastraten mit dem phänomenalen Gedächtnis.
    Lanzas Stimme klang kraftvoll und kristallklar.
    In großer Entfernung vom Ort des Geschehens hört der Dämon diese Stimme und hebt den Kopf.
    Der graue Dämon tritt nervös auf der Stelle und runzelt die Stirn – das Höchstmaß an Emotionalität, zu der er fähig ist. Diese hochfrequente Vibration – nein, so hohe Töne gefallen ihm nicht. Sie verzerren sein Bild von der Welt und trüben seinen Blick. Das Netzwerk der Tunnel, sein Blutkreislauf, verschwimmt vor seinen Augen.
    Der graue Dämon saugt Luft in seinen Körper. Die Menschen würden sich wundern, wenn sie wüssten, wie viel Luft er auf einmal einatmen kann. Dabei kann er genauso gut auch gar nicht atmen.
    Er ist die perfekte Überlebensmaschine.
    Etwas kitzelt in der Nase. Gerüche. Doch das ist nicht so wichtig. Der Dämon nimmt die Welt ganz anders wahr. Über die allgegenwärtigen Radiowellen. Jeder Mensch, jedes Lebewesen überhaupt, ist eine Sendestation mit einer eigenen Frequenz.
    Gerüche.
    Eine leuchtende, knisternde Welt.
    Der Dämon spürt schwache Anklänge von Angst. Störungen. Derjenige, den er verfolgt, hat ein gutes Gespür und argwöhnt, dass etwas nicht stimmt.
    Der Dämon hat eine Vorahnung von der Wichtigkeit des Augenblicks, in dem er mit demjenigen, den er verfolgt, zusammentreffen wird. Es wird wie ein Blitzschlag sein. Ein blauer Lichtschein und der Geruch von Ozon.
    Ein besseres Mahl kann es nicht geben auf der Welt.

13 Die Hexe
    13
    DIE HEXE
    Der Riss fraß sich durch das Rohr und spaltete die rostigen Schuppen, die vom Metall abblätterten.
    So

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