Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Titel: Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schimun Wrotschek
Vom Netzwerk:
Kleidung. Warum nicht?
    Gewiss war es nur Einbildung. Und dass der Alte mit der Wand sprach – geschenkt. Jeder hat schließlich seine Marotten.
    Iwan schüttelte den Kopf.
    »Was wollt ihr von mir?«, fragte der Alte. »Sagt schon!«
    Geh, Digger, und schlaf dich gründlich aus.
    Das Telefon läutete. Ununterbrochen.
    Schon im Schlaf hörte Iwan das monotone, aufdringliche Geklingel, das vor allem deshalb nervte, weil es so absurd war.
    Rrring, rrring, rrring!
    Das Läuten ging durch Mark und Bein. Iwan stöhnte, vergrub den Kopf im Kissen, wälzte sich auf die Seite und zog sich die Decke über den Kopf. Es half nichts. Das penetrante Geräusch drang mühelos durch den Stoff und bohrte sich in seine Ohren.
    Rrring, rrring, rrring!
    Als das Geräusch sich zur Größe der Station Newski prospekt aufgebläht hatte, hielt Iwan es nicht länger aus. Er rollte von der Matratze und öffnete die Augen. Es war ein äußerst unsanftes Erwachen. Aus der Welt der Träume kehrte Iwan auf einen Schlag in seine materielle Hülle zurück – und hätte beinahe nicht hineingepasst. Sein Herz schlug heftig und unregelmäßig. Er hatte einen säuerlichen Geschmack im Mund und seine Kehle war wie ausgedörrt. Mit fortschreitendem Alter passierte ihm das immer öfter, wenn er nicht ausgeschlafen hatte. Egal.
    Rrring, rrring, rrring!
    Iwan kniff die Augen zusammen und dehnte den verspannten Nacken. Das Läuten kam aus dem Nachbarraum. Telefon? Wieso Telefon? Iwan stand auf und taumelte zur Tür. Ihre Konturen verschwammen ihm vor den Augen. So gnadenlos war Iwan schon ewig nicht mehr aus dem Schlaf gerissen worden. Er fühlte sich hundeelend.
    Rrrring! Geh doch endlich einer ran!
    Funktionierte das Telefon des Alten also doch? Mit wem hätte er telefonieren sollen? Hatte man ihm von der Station eine Leitung gelegt?
    Iwan trat auf die Türschwelle und stützte sich am Rahmen ab. Er blinzelte fieberhaft, doch vor seinen Augen hing immer noch ein Schleier.
    Noch ein Versuch. Endlich konnte Iwan etwas sehen. Auf dem Schreibtisch stand das graue Telefon und läutete. Nicht zu fassen. Iwan ging zum Tisch, nahm mit steifen Fingern den Hörer ab und hielt ihn sich ans Ohr.
    Das Läuten hörte auf. Iwan betrachtete das graue Gehäuse mit den schwarzen Tasten. Das musste eine Sinnestäuschung sein.
    »Hallo?«, sagte er.
    Lange nichts.
    Dann: ein Knacken.
    »Wer ist am Apparat?«, fragte plötzlich eine gebieterische Stimme am anderen Ende der Leitung.
    »Gorelow«, erwiderte Iwan – er musste sich schließlich an den Namen gewöhnen.
    »Folgender Befehl, Gorelow. Linie zwei wird in den autonomen Betrieb überführt, GUS Datschnik in Kriegsbereitschaft versetzt. Allgemeine Bereitschaft – fünfzig Minuten. Verstanden? Allgemeine Bereitschaft – fünfzig Minuten. Die Hauptbunker sind für die Einquartierung der Bevölkerung vorzubereiten. Bestätigung von oben ist erfolgt.«
    Während Iwan zuhörte, kroch die Kälte des eklig glatten Kunststoffhörers in sein Ohr, von dort in den Kopf und dann durch die Speiseröhre in den Magen hinunter. Dort verdichtete sie sich wie verschüttetes Quecksilber zu einem schweren, glitzernden Klumpen.
    »Ich wiederhole. Startbefehl wurde erteilt. Bestätigen Sie den Empfang der Meldung. Gorelow, schläfst du?!«
    »Verstanden«, sagte Iwan.
    »Hör zu, Gorelow …« Die Stimme des Sprechers verlor plötzlich ihre eiserne Härte und wurde brüchig. Als hätte jemand den Stecker gezogen. »Es ist alles zu Ende. Vergiss das Objekt 30, rette die Menschen. Ich … Ich werde mich betrinken und mir eine Kugel in den Kopf schießen. Gorelow, ich flehe dich an: Rette die Menschen! Es ist so sinnlos. Wenn es irgendeinen Sinn hätte, würde ich es selbst versuchen. Aber es hat keinen Sinn.« Die Stimme verzerrte sich zu einem irren Lachen. Iwan hörte, dass hinter dem Sprecher jemand atmete. »Sie sind da. Weißt du, ich hatte gehofft, dass dieser Tag niemals kommen würde. Ich hatte gehofft, ihn wenigstens nicht zu erleben. Meinetwegen vorher an Krebs zu sterben. Warum nicht? Krebs ist nicht das Schlechteste. Da wäre mir wenigstens noch die Hoffnung geblieben. Aber wenn ich jetzt in die Zukunft schaue, sehe ich nur ein gähnendes schwarzes Loch. Wie bei den Atheisten. Nichts. Nothing. Ich kann den Menschen nicht in die Augen schauen. Das war’s. Hast du den Befehl weitergeleitet?«
    Iwan empfand auf einmal das Bedürfnis, den Mann am anderen Ende der Leitung zu beruhigen.
    »Ja, habe ich.«
    »Danke, Gorelow. Warum nur

Weitere Kostenlose Bücher