Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
Vom Netzwerk:
die beiden Treppenstufen zum Café hoch, bedachten die Jungs – ansehnlich, pickelfrei, gut in Schale – mit interessiert desinteressierten Blicken, befreiten sich ebenfalls von ihren Lasten und umsetzten einen Rundtisch in der Mitte des Raumes. Auch Bent­ner war taxiert und dem aus der Zeit gefallenen Mobiliar zugeschlagen worden.
    Zwei von ihnen konnten Anna sein. Eine saß mit dem Rücken zu Bentner, die andere links neben ihr, glänzendes mähniges Haar, leuchtendes glattes Rot. Davon war nie die Rede gewesen, hatte Anna Locken oder eher nicht, Bentner nahm, warum auch immer, letzteres an.
    Die Rothaarige beugte sich zu ihrer Nachbarin, einer Drallen mit blondiertem Bubikopf, kicherte ihr Nachrichten ins Ohr.
    »Ey, quatsch lauter!«, sagte die Schwarzhaarige, und die Dralle antwortete: »Sei mal nicht so neugierig, Sarah!« Die Vierte, eine unruhig auf ihrem Sitz hin und her rutschende Gnomin, machte »haha«.
    Sarah. »Das is’ meine bf und supersüüüüüüß is’ die!« Supersüß mochte Sarah sein, jetzt wandte sie sich der Rothaarigen zu, Bentners Blick streifte ein Engelsantlitz im Profil. Die Nase der Rothaarigen. Wirklich etwas zu groß, ein wenig zu lang, nein, Unsinn, die Proportionen stimmten noch, das Mädchen selbst mochte es anders sehen. Und ihre Füße in den plumpen schwarzen Stiefeln? 40er Größe? Bentner sah langsam zu Boden, drehte den Kopf. Naja. Konnte hinkommen.
    Seit fünf Minuten duftete es im Café nach etwas anderem als Kaffee, Kuchen und Brot, nun servierte die Bedienung die
Verantwortlichen für diese Düfte auf einem Tablett zum Mädchentisch: vier dampfende Pizzazungen. »Kakao kommt gleich, die Damen!«
    Bentner schloss die Augen und hörte in die Akustik des sogleich mit klirrendem Besteck operierenden Quartetts, durch allerhand Kaugeräusche zerknetete Sätze über ungerechte Lehrer, Streber in Arschlochdimensionen, viel zu teure, aber sauschicke Ballerinas, gelb, das Leder himmlisch, gut verarbeitete Nähte, das sei ja auch wichtig.
    Die Rothaarige leckte sich das Kakaobärtchen von der Oberlippe, begutachtete noch einmal die beiden Jungs, die ihrerseits die Schwarzhaarige anzuhimmeln schienen, der allerdings war das Aufessen der Pizzazunge und das Beschäftigen der eigenen wichtiger, »wenn’s nicht so arschkalt wär, könnten wir doch heute Mittag ins Hallenbad, was meinst du, Evi«, und Evi, die Gnomin: »Is’ doch scheißegal, ob’s draußen arschkalt is’, drinnen is’ warm, aber hab null Bock auf Hallenbad.« »Ich auch nicht!«, stimmte dem die Dralle zu, von Sarah sogleich mit »Kerstin, halt die Klappe, du kannst ja sowieso nicht schwimmen«, in die natürlichen Schranken verwiesen. »Na und?«, fragte Kerstin schnippisch, »gehst du etwa zum Schwimmen ins Hallenbad?«, und darauf lachten alle Vier, hieben die Gabeln in Teigreste, führten sie zum Mund, spülten mit Kakao nach.
    Ein großgewachsener Junge kam die Stufen hoch, schwarz gekleidet wie nur je ein Webdesigner, steuerte den Jungstisch an. Sarah tippte der Rothaarigen mit dem linken Fuß diskret an den rechten Oberschenkel, die Rothaarige drehte den Kopf den Jungs zu, errötete, drehte den Kopf sofort zurück, ein Grinsen für Sarah, dann das nun wirklich letzte Stück Pizza mit der Hand vom Teller geholt und zwischen die noch immer gedehnten Lippen geschoben.
    War Anna verliebt? In ein Wesen aus Fleisch und Blut? Warum nicht. Anna war vierzehn, der Junge, von seinesgleichen soeben als Tommy begrüßt, recht ansehnlich, Marke Rebell mit vielversprechenden Genen. Er hatte den Mädchentisch keines Blickes gewürdigt, Basketball war das Thema, danach ein unverständliches Gebabbel, aus dem nur vielfach das Wort »Alter« herausstach. Die Mädchen nippten am Kakao, eine sah zur anderen.
    Aber warum sollte Anna nicht in einen Jungen verliebt sein? War sie es überhaupt? Hatte womöglich Sarah Anna nur angestupst, weil hier ihr Liebster den Raum betrat, Anna nur geschaut, weil der Schwarm der besten Freundin immer einen Blick wert ist, war sie errötet oder die Färbung lediglich eine Folge der heißen Pizzazunge und des nicht weniger wärmenden Kakaos? Bentner bemühte sich, nicht eifersüchtig zu sein, den Rick in sich zu disziplinieren. Natürlich konnte, natürlich durfte Anna in einen Jungen verliebt sein.
    Dann standen die Rot- und die Schwarzhaarige auf, strebten der Toilette zu, gerieten außer Hörweite, und sofort begannen Evi und Kerstin über »unsere Schminkweiber« zu lästern. Nennt

Weitere Kostenlose Bücher