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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Herr Bentner, glauben Sie mir. Frau Steinwach hat’s wohl auch erwischt.«
    »Lisa? Wollte die heute kommen?«
    »Sie kommt doch immer freitags.«
    Leichter Tadel in der Stimme. Zu recht. Der Freitag war Lisas Bürotag, keine Uni, keine Vorlesungen, Geld verdienen bis zum Feierabend gegen 16 Uhr.
    »Oh«, sagte Bentner und verabschiedete sich. Legte auf und wählte Lisas Festnetzanschluss, wartete, es klingelte, klingelte. Auch auf dem Handy meldete sich Lisa nicht.
    Auf der Suche nach Zigaretten war Bentner endlich in der Jackentasche fündig geworden, seine Finger hatten dabei den USB-Stick mit Weidenfelds Serverdaten ertastet, ein »Sicherung« betitelter Ordner, den Bentner nun anklickte. Sieben Unterordner.
    Drei von ihnen enthielten Exceltabellen und allgemeine Statistiken, zwei weitere, »2007« und »2008«, waren leer, einer, mit »Ideen« beschriftet, barg ein Worddokument, in dem Weidenfeld die Umrisse eines effizienten »lean management« skizziert hatte. Der siebte und letzte hieß »Dossiers«, vier Worddateien, jede von ihnen nach einem der Mitteilhaber von PixBiz benannt.
    Bentner klickte auf das Dokument mit seinem Namen und las darin, was in jedem tabellarischen Lebenslauf stand, wann und wo geboren, wann und wo zur Schule gegangen, wann und wo akademisch ausgebildet. Auch in den anderen drei Dokumenten fand sich nichts weiter als dieses magere biografische Gerüst.
    Bentner zog den Stick heraus, wog ihn eine Zeitlang nachdenklich in der Hand. Ihm war nicht nach Spekulationen zumute. Konnte sein, dass Weidenfeld die Arbeit an seinen »Dossiers« abgebrochen hatte, möglicherweise gar nur in einer vorübergehenden Laune begonnen und sofort wieder verworfen, konnte auch sein, er hatte sie an einem anderen, sichereren Ort fortgeführt. Vielleicht hatte er dann den Ordner auf dem Server vergessen oder als eine Art Drohung dort liegen lassen.
    Kein Besuch heute in Pixity. Keine Mails checken. Der Stick wurde achtlos in die oberste Schublade des Schreibtischs geworfen, wo auch das Handy lag, das man angeblich haben musste, wenn man irgendwo Geschäftsführer war. Bentner nahm es und steckte es ein.
    Hausarbeiten, einige Tabletten jenseits des Verfallsdatums wurden prophylaktisch geschluckt, gehörige Dosen diverser Vitamine, noch aus Olivias Samariterbestand. Noch immer war Lisa telefonisch nicht zu erreichen, weder im Büro noch zu Hause, es gab auch keinen Grund, sie anzurufen.
    Gegen Mittag verließ er die Wohnung, makellos der Himmel und die Kälte. Gegenüber des Cosanus-Gymnasiums lag tatsächlich noch das Café Werth. Aus der Zeit gefallen, eine Kulisse aus abgewetztem Plüsch mit rosa Rosen, nur der Verkaufsraum, den man durchqueren musste, mit verzagten Zugeständnissen an eine Moderne, die auch schon dreißig Jahre zurückliegen mochte. Bent­ner defilierte an den Kuchen und Stückchen hinter Glas vorbei, bestellte ein Croissant und ein Kännchen Kaffee, die Verkäuferin wiederholte es und nickte dabei.
    Freitag.   »Die alte is freitags ganzen tag nich da, manchma gehn wir ins café und kaufen uns was oder trinken kakao dort sarah und ich jaja is alles ungesund.«
    Von seinem Platz aus hatte er den Haupteingang der Schule im Blick. Bentner war der einzige Gast, halb eins, aus dem Gymnasium tröpfelte es spärlich Schüler und Lehrer. Die meisten von ihnen gingen nach links ab, dem Busbahnhof zu, der fünf Fußminuten entfernt lag, auch das passte. Einige überquerten die Straße, betraten die Bäckerei, verließen sie mit weißen Tüten, fingerten darin und steckten sich Bruchstücke süßer Teilchen in die Münder.
    Hier zu sein, war völliger Unsinn. Es war Freitag, in Ordnung. Anna würde gleich aus dem Haupteingang kommen. Wenn sie denn das Cosanus-Gymnasium besuchte, wenn sie überhaupt in dieser Stadt lebte, wenn sie überhaupt ein Mädchen war. Und dann? Liefe sie an ihm vorbei, unerkannt.
    Kurz nach eins schoben sich die ersten Klassen durch das Tor, lärmende Schwärme, die sogleich auseinanderstoben, auch als Laufkundschaft in die Bäckerei einfielen. Zwei Jungs betraten das Café, warfen ihre Taschen und dann sich selbst auf die Stühle, ließen sich mit Wurstbrötchen und Cola bewirten.
    Bentner sah durchs Fenster, musterte die Mädchen, von denen viele Anna sein konnten, Gazellen in Jeans und bunten Thermojacken, wehendes Langhaar in allen Farben. Sie umschwirrten sich plappernd, durch Doppelglas gedämpftes Lachen. Dann tappten vier Mädchen, von prallen Schultaschen geerdet,

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