Pizza House Crash
einem freien Feld standen.
Anne setzte den Kessel auf und legte ein paar Koteletts, die sie mitgebracht hatte, unter den Grill. Sie war einen Kopf kleiner als ich, aschblond und adrett gekleidet mit einem leuchtend blauen Mohairpullover und einem Rock. Ich kam mir im Vergleich zu ihr klobig und schäbig vor. Ihr Haar war wunderschön zu einer modischen Ponyfrisur geschnitten, aber sie trug weniger Make-up als sonst; nur die Andeutung eines burgunderroten Lippenstifts bedeckte feucht glänzend ihre kleinen, runden Lippen. Ich roch irgendein exotisches Zimtparfüm, als sie sich in der Küche umherbewegte.
»Wie ging’s bei der Beerdigung, Anne?« fragte ich. Ich zog mir einen Stuhl heran und schwang ein Bein darüber, so daß ich mich rittlings daraufsetzen und Arme und Kinn auf die Lehne legen konnte. Jedes Hilfsangebot meinerseits hätte alles nur verlangsamt.
Sie blickte nicht von ihrem Schneidebrett auf, sondern fuhr fort, die reifen, roten Tomaten in Scheiben zu schneiden, aber von der Seite sah ich, daß ihre Augen feucht wurden. Nach einer Weile faßte sie sich wieder und antwortete.
»Oh, es ging ganz gut. Der Pfarrer hat ein paar hübsche Sachen gesagt. Deine Eltern waren da, George, und haben nach dir gefragt. Ich habe ihnen erzählt, daß du kommen wollest, aber daß dein Chef nicht sehr verständnisvoll war.«
»Waren sie es denn?« fragte ich sarkastisch.
Anne warf mir einen tadelnden Blick zu und drehte die brutzelnden Koteletts um.
»Eddie war da. Er war ziemlich betroffen.« Sie legte den Deckel auf einen Topf mit Kartoffeln. »Er hat sich nach dir erkundigt - er hätte versucht, dich zu erreichen, sagte er.«
Ich sagte nichts dazu.
»Schien ihm sehr gut zu gehen... er arbeitet als Wertpapierhändler oder so was in der City... mit einem phantastischen Einkommen. Na, das haben sie daja alle, nicht wahr?« Sie schob die geschnittenen Tomaten in eine Bratpfanne und schüttete Erbsen in einen Topf mit kochendem Wasser.
»Ist Julian beerdigt worden, Anne? Ich würde gern das Grab besuchen«, sagte ich und fühlte mich zunehmend morbide. »Nein, er ist... verbrannt worden. Mutter wollte ihn mit nach Hause nehmen.«
Geschmacklos, dachte ich, aber ich sagte nichts weiter. Die Stille in der kleinen Küche wurde nur vom Brutzeln und Zischen des Fetts auf den Koteletts unterbrochen.
Nach einer Weile reckte ich den Hals, um aus dem Fenster zu schauen, und sah, wie Warren nach den Äpfeln griff. Anne legte Besteck auf den Tisch und strich das Tischtuch mit ihren perfekt geformten Fingern glatt. Ihr Verlobungsring mit dem kleinen Saphir und Diamanten funkelte, als sie die Teller und Butterbrote hinstellte.
»Was die Übernachtungsmöglichkeiten angeht, George...« sagte sie und schenkte mir nonchalant eine Tasse Tee ein. »Es gibt nur ein Schlafzimmer; wenn du willst, kann ich also auf dem Sofa schlafen.«
Das war nun ein Gedanke, auf den ich überhaupt noch nicht gekommen war: Warren als Liebhaber, nicht einfach als Freund. Für mich war er ein Kumpel, der mir aus der Patsche half, der mich hätschelte, wenn ich einen Kater hatte, und der an meinen Angewohnheiten herumnörgelte. Beim Essen und auch sonst. Was tat ich eigentlich für ihn? Nichts... außer vielleicht, daß ich ihm gelegentlich ein paar Testprogramme zukommen ließ, die wir bei Technology Week gratis bekamen. Wir gingen gelegentlich zusammen auf Parties, in Clubs, Pubs und manchmal sogar zum Nachtprogramm ins Kino. Ich sah ihm gern zu, wenn er mit seinen Computern herumspielte oder sich in die anderer Leute hineinschlich. Er sprach nie von seiner Familie, aber obwohl er ein einzelgängerischer Typ war, hatte er Freunde oder besser gesagt, Verbindungen. Aber ich hätte nicht mal sagen können, ob er mit Männern oder mit Frauen ins Bett ging; er sprach nie über Sex und erwähnte niemals das Wort Liebe.
Ich hatte ihm von Eddie, meinem Mann, erzählt, obwohl ich sonst keinem Menschen je gesagt hatte, was er mir bedeutet oder wie sehr er mich verletzt hatte. Warren war ein guter Zuhörer - ruhig, sanft, aufrichtig, wenn auch vielleicht ein bißchen leidenschaftslos. Eddie hingegen war ein Lügner und ein Scheißkerl, ein seichter und gewissenloser Winkeladvokat, der mich mit seinem guten Aussehen, seinen heißen, süßen Küssen und seinen Fliegenschißversprechungen in die Irre geführt hatte. Schlimmer noch, er hatte mein Vertrauen in meine eigene Urteilskraft zerstört. Ich hatte harte Regeln aufstellen müssen, nach denen ich fortan
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